Sieg einer großen Liebe
sich nicht anmerken lassen. Die englischen Adeligen zeigen nicht gern Gefühle und wahren immer die Form. Wenn sie die Briefe gelesen haben, werden sie sich wahrscheinlich höfliche Botschaften überbringen lassen, und dann wird einer von ihnen beim anderen vorsprechen. Ein Butler wird Tee servieren ...“
Er lächelte, als er sich diese erfreuliche Szene in allen Einzelheiten ausmalte. In seinem Geist sah er zwei englische Aristokraten, reiche edelmütige Menschen, die sich in einem eleganten Salon trafen, um die Zukunft ihrer bis dahin unbekannten jungen Verwandten zu besprechen. Da der Herzog von Atherton und die Herzogin von Claremont durch Katherine entfernt verwandt waren, wären sie natürlich Freunde, Verbündete .. .
4. KAPITEL
„Ihre Hoheit, die Herzoginwitwe von Claremont“, verkündete der Butler ehrfurchtsvoll vom Eingang des Salons, in dem Charles Fielding, Herzog von Atherton saß. Der Butler trat zur Seite, und eine sehr energische alte Dame rauschte herein, gefolgt von einem besorgt wirkenden Rechtsbeistand. Charles Fielding blickte sie hasserfüllt an.
„Mache dir nicht die Mühe, dich zu erheben, Atherton“, fauchte die Herzogin böse, als er unhöflich sitzen blieb.
Obwohl er die Fünfzig schon weit überschritten hatte, war Charles Fielding immer noch ein gutaussehender Mann mit dichtem silbernem Haar und braunen Augen, doch Krankheit hatte ihn gezeichnet. Für seine Größe war er zu dünn, und sein Gesicht wies tiefe Falten auf. Er sah angestrengt und müde aus.
Da die Herzogin ihn nicht zu einer Äußerung bewegen konnte, wandte sie sich an den Butler. „In diesem Raum ist es zu heiß" beschwerte sie sich und pochte mit ihrem am Knauf juwelenbesetzten Ebenholzstock auf den Boden, „öffne die Vorhänge und lass Luft herein!“
„Lass sie zu" befahl Charles in einem Ton, der seine ganze Nichtachtung der Herzogin gegenüber ausdrückte.
Die alte Dame warf ihm einen stechenden Blick zu. „Ich bin nicht hergekommen um zu ersticken“, stellte sie fest, „sondern um dir meine Entscheidung in Bezug auf Katherines Töchter mitzuteilen.“
„Tue das, und dann geh bitte wieder!" fuhr Charles sie an.
Seine Feindseligkeit schien fast körperlich spürbar, doch die Herzogin ließ sich ungerührt auf einem Stuhl nieder. Trotz ihrer fortgeschrittenen Jahre saß sie aufrecht wie eine Königin, auf dem weißen Haar statt der Krone einen purpurnen Turban, in der Hand statt des Szepters einen Stock.
Charles beobachtete sie aufmerksam. Er hatte erwartet, daß sie nur gekommen war, um ihm mitzuteilen, daß Katherines Kinder ihn überhaupt nichts angingen und war überrascht, daß sie sich setzte. Also hatte sie ihm mehr zu sagen.
„Du hast die Bilder der Mädchen gesehen“, stellte die Herzogin fest.
Er senkte den Blick auf die Miniatur in seiner Hand und schloss die Finger schützend darum. Nackte Pein stand beim Anblick Victorias in seinen Augen. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter, seiner schönen geliebten Katherine.
„Victoria ist ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten“, sagte die Herzogin triumphierend.
Charles blickte ihr in die Augen, und seine Miene wurde hart. „Das habe ich auch bemerkt.“
„Gut. Dann wirst du verstehen, weshalb ich das Mädchen nicht in meinem Hause haben will. Ich nehme die andere.“ Sie erhob sich, als betrachte sie die Angelegenheit jetzt für erledigt und sah ihren Anwalt an. „Sorgen Sie dafür, daß Dr. Morrison eine Bankanweisung zur Deckung seiner Ausgaben erhält und eine weitere, um die Überfahrt für das jüngere Mädchen zu bezahlen.“
„Ja, Eure Hoheit.“ Der Anwalt verbeugte sich. „Gibt es sonst noch etwas?“
„Es wird noch viel mehr geben“, fuhr sie ihn an. „Ich muss das Mädchen in die Gesellschaft einführen, muss sie mit einer Mitgift ausstatten, muss einen Ehemann für sie finden und ...“
„Was ist mit Victoria?“ unterbrach Charles. „Was hast du mit ihr vor?“
Die Herzogin funkelte ihn an. „Ich sagte bereits, sie erinnert mich an ihre Mutter, und ich werde sie in meinem Hause nicht dulden. Wenn du sie willst, kannst du sie haben! Soweit ich mich erinnere, warst du damals verrückt nach Katherine und sie nach dir. Und jetzt, nach zweiundzwanzig Jahren, hat sie im Sterben noch deinen Namen genannt! Nun kannst du dafür ihr Ebenbild haben. Es geschieht dir recht, daß du das junge Ding ständig vor Augen haben musst.“
Charles Fielding unterdrückte sein Glücksgefühl und ließ die Herzogin weiter
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