Sieg einer großen Liebe
beunruhigte ihn, denn er wusste aus Erfahrung, wie böse und verräterisch das „sanfte Geschlecht“ sein konnte. Dennoch hoffte er wie ein naiver Jüngling, daß sie beide glücklich werden würden.
Das Leben mit ihr wird nie ruhig sein, dachte er lächelnd. Victoria würde ihn amüsieren, seine Pläne durchkreuzen und sich ihm bei jeder Gelegenheit widersetzen. Dessen war er sich ebenso sicher, wie er wusste, daß sie ihn nur heiratete, weil sie keine andere Wahl hatte. Und ebenso sicher war, daß sie ihre Jungfräulichkeit diesem Andrew geschenkt hatte.
Plötzlich verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. An jenem Nachmittag hatte er gehofft, sie würde es verneinen. Statt dessen hatte sie gesagt: „Es tut mir leid ... In Amerika ist das anders.“ Und obwohl er durch diese Worte tief getroffen worden war, hatte er Victorias Mut zur Aufrichtigkeit bewundert.
Er lehnte sich in die Polster zurück. Eigentlich konnte er ihr nicht vorwerfen, daß sie sich Andrew hingegeben hatte. Was sollte ein unschuldiges Mädchen vom Lande tun, wenn ihr der reichste Mann im Orte die Ehe versprach? Victoria war ein warmes, großzügiges Menschenkind, das sich vermutlich dem Mann, den es wirklich liebte, ebenso hingab, wie sie den Dienern ihre Aufmerksamkeit und Wolf ihre Zuneigung schenkte.
Nach dem lasterhaften Leben, das er selbst geführt hatte, wäre es der Gipfel der Schlechtigkeit gewesen, Victoria jetzt zu verurteilen. Jason verabscheute Heuchler. Leider aber hasste er die Vorstellung ebenso sehr, daß Victoria nackt in den Armen eines anderen Mannes gelegen hatte. Andrew hat sie gut erzogen, dachte er bitter, als die Kutsche vor seinem Palais vorfuhr. Er hatte ihr beigebracht, wie man einen Mann küsst und seine Glut erhöht...indem man sich erst zögernd zurückhielt, um dann um so leidenschaftlicher zu reagieren.
Jason riss sich aus den schmerzlichen Gedanken, stieg aus der Kutsche und schritt die Stufen zu seinem Stadthaus hinauf. Victoria ist inzwischen über Andrew hinweggekommen, dachte er grimmig. Sie hat ihn in den letzten Wochen sicher vergessen.
Er klopfte an das Portal und kam sich ein bisschen albern vor, am Abend vor der Trauung auf ihrer Schwelle zu erscheinen. Es gab keinen anderen Grund für sein Kommen, als daß er sich an ihrem Anblick erfreuen wollte.
Außerdem wollte er ihr sagen, daß er ein indianisches Pony aus Amerika kommen lassen würde. Dies sollte sein Hochzeitsgeschenk sein. Er freute sich schon darauf, sie ihre indianischen Kunststücke auf dem Pony vorführen zu sehen. Wie schön musste es aussehen, wenn ihr schlanker Körper sich anmutig über den Hals des Pferdes beugte und ihr wundervolles Haar im Sonnenlicht schimmerte ...
„Guten Abend, Northrup. Wo ist Lady Victoria?“
„Im gelben Salon, Mylord“, antwortete der Butler. „Mit ihrer Schwester.“
„Ihrer Schwester?“ wiederholte Jason erstaunt und erfreut zugleich. Offensichtlich hat die alte Herzogin ihr Verbot aufgehoben, so daß Dorothy hierherkommen darf, dachte er. Glücklich, endlich Victorias jüngere Schwester kennenzulernen, öffnete er die Tür zum gelben Salon.
„Ich kann es nicht ertragen“, schluchzte ein junges Mädchen ins Taschentuch. „Ich bin froh, daß Grandma mich nicht an deiner Hochzeit teilnehmen lässt. Wenn ich dir zusehen müsste, wie du zum Altar gehst und weißt, du wünschst dir, er wäre Andrew ...“
„Anscheinend komme ich in einem ungünstigen Augenblick“, stellte Jason kalt fest und die Hoffnung, Victoria könnte ihn tatsächlich heiraten wollen, erstarb endgültig in ihm.
„Jason!" rief Victoria bestürzt, als sie erkannte, daß er Dorothys törichtes Gerede gehört haben musste. Sie gewann ihre Fassung schnell zurück und streckte ihm die Hände entgegen. „Ich bin so froh, daß du da bist“, sagte sie lächelnd, „komm her und lerne meine Schwester kennen.“
Victoria sah Jason bittend an. Sie wusste, daß sie die Situation nicht mit einer Notlüge retten konnte. So versuchte sie, sein Verständnis mit der Wahrheit zu erlangen. „Dorothy hat einige böse Bemerkungen von Lady Faulklyn, ihrer Anstandsdame, aufgeschnappt und daraus die absurde Vorstellung gewonnen, du seist ein Ungeheuer.“ Sie biß sich auf die Lippe, als Jason nur spöttisch eine Braue hob und Dorothy schweigend musterte. Dann wandte sie sich an ihre Schwester. „Dorothy, bist du bitte so vernünftig und läßt mich dir Lord Fielding vorstellen, damit du selbst siehst, wie nett er ist?“
Nicht
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