Sieg einer großen Liebe
sehr überzeugt blickte Dorothy auf die kalten, undurchdringlichen Züge des Mannes, der mit verschränkten Armen vor ihr aufragte. Langsam stand sie auf und blickte ihn finster an. „Lord Fielding“, sagte sie herausfordernd, „ich weiß nicht, ob Sie ,nett‘ sind oder nicht. Jedenfalls warne ich Sie, wenn Sie meiner Schwester auch nur ein Haar krümmen, werde ich keine Bedenken haben, Sie zu ... zu erschießen! Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“ Ihre Stimme zitterte, doch hielt sie dem Blick aus Jasons kalten grünen Augen stand.
„Vollkommen.“
„Dann werde ich jetzt, da ich meine Schwester nicht überzeugen kann davonzulaufen, zum Haus der Herzogin zurückkehren“, endete Dorothy dramatisch und nickte kurz mit dem Kopf. „Guten Abend.“
Victoria eilte ihrer Schwester in die Halle nach. „Dorothy, wie konntest du nur so ungezogen sein! “
„Besser, er hält mich für unverschämt, als daß er denkt, er könnte dich ungewarnt misshandeln! “
Victoria rollte entgeistert mit den Augen und drückte die Schwester zum Abschied an sich. Dann hastete sie in den Salon zurück.
„Das tut mir leid“, sagte sie niedergeschlagen zu Jason, der am Fenster stand und die Abfahrt von Dorothys Kutsche beobachtete.
Er blickte über die Schulter und sah sie stirnrunzelnd an. „Kann sie schießen?“
Unsicher, in welcher Laune er war, schüttelte Victoria den Kopf. Als er sich wieder zum Fenster wandte, ohne etwas zu sagen, versuchte sie es ihm zu erklären. „Dorothy hat eine lebhafte Phantasie und glaubt, daß ich dich nur aus Verzweiflung über Andrews Treuebruch heirate.“
„Bist du denn verzweifelt?“ spottete er.
„Nein, das bin ich nicht.“
Er drehte sich ganz zu ihr um, und seine Augen wirkten hart wie grünes Glas. „Wenn du morgen zum Altar gehst, Victoria, wird da nicht dein kostbarer Andrew auf dich warten, sondern ich. Vergiss das nicht. Wenn du die Wahrheit nicht ertragen kannst, komm nicht in die Kirche.“
Er ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
21. KAPITEL
Der Himmel war grau und bewölkt, als Jasons glänzend schwarzlackierte, von vier tänzelnden Rotfüchsen gezogene Equipage sanft durch die dichtbevölkerten Straßen von London schaukelte. Sechs Vorreiter in grüner Samtlivree führten die Prozession an, und hinter der Karosse folgten vier weitere uniformierte Berittene. Zwei Kutscher saßen stolz aufgerichtet auf dem Bock, und zwei Lakaien standen auf dem Rücktritt.
Victoria kauerte in den weichen Polstern im Innern des Wagens. Sie war in ein kostbares Gewand von erlesener Eleganz gehüllt, aber ihre Gedanken waren so grau wie der Tag.
„Ist dir kalt, meine Liebe?“ fragte Charles fürsorglich von seinem Platz ihr gegenüber.
Als Antwort schüttelte Victoria den Kopf. Sie fragte sich, weshalb Jason ein solch großartiges Schauspiel aus ihrer Hochzeit machen musste.
Ein paar Minuten später legte sie ihre Hand in Charles’ und stieg aus. Wie ein Kind, das von ihrem Vater zu einem furchterregenden Ereignis geführt wird, erklomm sie langsam die flachen Stufen zu der wuchtigen, gotischen Kirche. Lady Collingwood trat mit einem aufmuntemden Lächeln hinter sie.
Victoria betrat langsam neben Charles die Kirche und wartete noch einen Augenblick im Vorraum. Sie versuchte nicht daran zu denken, welche Ungeheuerlichkeit sie zu tun im Begriff war. Sorgfältig vermied sie es, zum Altar zu schauen, wo Jason und nicht Andrew auf sie warten würde. Statt dessen ließ sie den Blick über die Menge schweifen. Wie unterschieden sich doch diese Londoner Aristokraten in ihren Seiden- und Brokatgewändem von den freundlichen Dörflern, die sie sich immer als ihre Hochzeitsgäste vorgestellt hatte. Die meisten dieser Menschen kannte sie kaum, manche hatte sie noch nie gesehen.
In der ersten Bank vorne rechts war ein Platz für Charles reserviert, doch ansonsten war alles besetzt. Direkt am Mittelgang, in der ersten Sitzreihe für die Familienangehörigen der Braut thronte eine alte Dame, deren Haar von einem purpurfarbenen Turban verdeckt wurde. Sie stützte sich auf einen Ebenholzstock.
Victoria erinnerte sich dunkel daran, diese Dame schon gesehen zu haben. Aber da lenkte Charles ihre Aufmerksamkeit auf Lord Collingwood, der eben auf sie zutrat.
„Ist Jason eingetroffen?“ fragte der Herzog Robert Collingwood.
Der Graf küßte Victoria die Hand und lächelte ihr ermutigend zu. „Er ist hier, und er ist bereit, wenn Sie es sind.“
Victorias Knie begannen zu zittern. Sie war
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