Sieg einer großen Liebe
überreizt.
„Tante Flossie“, kam Victoria ohne Umschweife zur Sache. „Onkel Charles schläft. Sie sind der einzige Mensch, an den ich mich jetzt wenden kann. Es ist wegen Jason. Etwas stimmt nicht.
„Du lieber Himmel!" rief Miß Flossie aus und legte ihre Handarbeit zur Seite. „Was meinst du damit?“
„Ich habe eben entdeckt, daß er schon einmal verheiratet war!" Miß Flossie neigte den Kopf zur Seite. „Du meine Güte, ich dachte, Charles hätte dir das erzählt, oder Wakefield selbst. Jedenfalls war Jason bereits verheiratet, meine Liebe. Nun weißt du es ja.“
Nachdem dieses Problem bereinigt war, lächelte Miß Flossie und nahm ihre Stickerei wieder auf.
„Gar nichts weiß ich. Lady Clappestone sagte etwas eigenartiges ....sie meinte, Jasons Frau hätte alles verdient, was er ihr angetan hat. Was war das?“
„Was?“ wiederholte Miß Flossie und blinzelte. „Nichts, das ich sicher wüsste. Es war töricht von Lady Clappestone, das zu bemerken, denn sie kann es auch nicht wissen ... es sei denn, sie war mit Jason verheiratet, was sie nicht war, das kann ich dir versichern. Na, fühlst du dich jetzt besser?“
„Nein! rief Victoria gequält. „Weshalb denkt Lady Clappestone, daß Jason seiner Frau schlimme Dinge angetan hat? Sie muss doch einen Grund dafür haben, und wenn ich mich nicht sehr irre, sind viele Leute derselben Meinung. “
„Das mag stimmen“, bekräftigte Miß Flossie. „Weißt du, Jasons unglückliche Gattin...möge sie in Frieden ruhen, obwohl ich mir nicht denken kann, wie sie das könnte, wenn man berücksichtigt, wie verdorben sie sich benahm, als sie noch lebte...jammerte jedem vor, wie schrecklich Wakefield sie behandelte. Einige glaubten ihr offensichtlich, doch die Tatsache, daß er sie nicht umgebracht hat, sollte beweisen, daß er sich bewundernswert beherrschen kann Wenn ich verheiratet wäre, was ich natürlich nicht bin, und dasselbe wie Melissa täte, was ich selbstverständlich nicht fertigbrächte, würde mein Ehemann mich bestimmt schlagen. Wenn also Wakefield Melissa geschlagen hat, was ich nicht mit Sicherheit behaupten kann, dann war das mehr als gerechtfertigt. Darauf kannst du mein Wort nehmen.“
Victoria erinnerte sich an die Momente, da Jason zornig gewesen war, an die beherrschte Wut in seinem Blick und die raubtierartige Macht, die sie manchmal unter seinem weltmännischen Äußeren entdeckte. Ein Bild fuhr ihr durch den verstörten Sinn ... eine Frau schrie, während er sie für eine unbedeutende Überschreitung seiner persönlichen Prinzipien züchtigte. „Was“, fragte sie heiser, „hat Melissa getan?“
„Nun, es gibt keine nette Art, das zu sagen. Die Wahrheit ist, daß sie in der Gesellschaft anderer Männer gesehen wurde. “
Victoria erschauderte. Fast jede moderne Dame in London wurde in Begleitung anderer Männer gesehen. Es war selbstverständlich für verheiratete Damen, Verehrer zu haben. „Und dafür hat er sie geschlagen?“ flüsterte sie ungläubig.
„Wir wissen nicht, ob er sie strafte, ich bezweifle es sogar. Einmal hörte ich, wie ein Gentleman Jason dafür kritisierte...hinter seinem Rücken natürlich, denn niemand hätte je den Mut, ihn von Angesicht zu Angesicht zu rügen...weil er Melissas Benehmen ignorierte! “
Eine Idee schoß Victoria plötzlich durch den Kopf. „Was genau sagte der Herr?“ fragte sie vorsichtig. „Wörtlich“, betonte sie.
„Wörtlich? Nun, da du darauf bestehst, er sagte...wenn ich mich recht entsinne...'Wakefield werden vor ganz London Hörner aufgesetzt, und er weiß es auch ganz genau und ignoriert es trotzdem. Er gibt damit allen unseren Gattinnen ein schlechtes Beispiel. Er sollte die Schlampe auf seinem Gut in Schottland einsperren und den Schlüssel wegwerfen‘. “
Teils erleichtert, teils traurig ließ Victoria den Kopf an die Stuhllehne sinken und schloss die Augen. „Hörner aufgesetzt" flüsterte sie. „Das ist es also ..Wie sehr musste Jasons Stolz verletzt worden sein!"
„Gibt es noch etwas, das du wissen willst?“ erkundigte sich Miß Flossie.
„Ja“, meinte Victoria, sichtlich verlegen.
Ihre Anspannung erschreckte Miß Flossie. „Nun, ich hoffe, es ist nichts über ,Du-weißt-schon‘ “, zwitscherte sie nervös, „denn als deine nächste weibliche Verwandte wäre es meine Pflicht, dir das zu erklären, aber ich weiß davon gar nichts. Ich hatte gehofft, daß es dir deine Mutter vielleicht schon erzählt hätte.“
Victoria öffnete die Augen,
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