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Siegfried

Siegfried

Titel: Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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doch so etwas habe ich hier nicht in meiner Garderobe; statt dessen zog ich Adis schwarzseidenes Lieblingskleid mit den rosafarbenen Rosen an und dazu den schönsten Schmuck, den er mir geschenkt hat: das goldene Armband mit Turmalinen, meine Uhr mit den Brillanten, die Halskette mit dem Topas und die Brillant Haarspange. Das alles trage ich noch immer – und ich weiß, daß ich es nie wieder ablegen werde. Goebbels hatte inzwischen einen Beamten ausfindig machen lassen, der befugt war, uns zu trauen. »Sein Name ist Wagner«, sagte Goebbels mit glänzenden Augen, als ich um zwei Uhr nachts an seinem Arm ins Kartenzimmer ging. »Was sagen Sie dazu? Wagner – hier in dieser Götterdämmerung! Der Führer hat noch immer magische Kraft über die Wirklichkeit.«
    Er und der mürrisch dreinschauende Bormann waren unsere Trauzeugen. Ansonsten waren nur einige Generäle anwesend, Magda, die mir ständig eifersüchtige Blicke zuwarf, die Damen aus dem Sekretariat und Constanze Marzialy, die nachher auch unsere Henkersmahlzeit kochen wird: Spaghetti mit Tomatensauce. Wagner trug eine Uniform des Volkssturms, und als ich meine rein arische Abstammung bestätigen sollte, wurde mir klar, daß Adi das Wort »Ja« auch aus meinem Mund hatte hören wollen. Er kann sich darüber aber nicht so gefreut haben wie ich, als ich sein »Ja« auf die Frage hörte, ob er mich zu seiner Frau nehmen wolle – diese beiden Buchstaben, diesen kurzen Laut, die für mich den Himmel auf Erden darstellten. Als ich nach ihm auf dem Kartentisch die Urkunde unterschrieb, neben Wagners zitterndem Zeigefinger, sah ich, daß er mit rotem Farbstift ein großes Kreuz durch den Stadtplan von Berlin gemacht hatte.
    Dies sind die letzten Zeilen, die ich schreibe. In der Wilhelmstraße toben bereits Straßenkämpfe, stündlich können die Russen im Bunker auftauchen. Mein Mann hat sein Testament diktiert und mußte dann auch noch mit der Nachricht von Mussolinis Ende fertig werden: von Partisanen erschossen und mit seiner Freundin Clara Petacci kopfüber an einer Tankstelle aufgehängt. »Genau wie Petrus«, sagte Goebbels mit dem zynischen Humor, der sein Markenzeichen ist. Genau das darf uns nicht passieren, und mein Mann ließ Benzin holen, mit dem nachher unsere Leichen verbrannt werden sollen.
    Auf dem Flur rennen Magdas Kinder lärmend auf und ab, doch niemand beschwert sich, denn auch ihr Schicksal ist besiegelt. Ich muß an Siggi denken, aber die Vorstellung, daß ich mein Glück seinem Tod verdanke, versuche ich zu unterdrücken. Vor einer halben Stunde hat mein Mann Tornow den Befehl erteilt, Blondi zu vergiften. Er traute den Zyankalikapseln nicht mehr, die Himmler ihm gegeben hatte und die für mich bestimmt sind. Sie war sofort tot; schweigend und emotionslos betrachtete er kurz seinen Lieblingshund und drehte sich dann um. Vor zehn Minuten trat Tornow plötzlich in mein Zimmer, seinen Schlumpi, der mit dem Schwanz zu wedeln begann, als er mich sah, hatte er unter dem Arm. Mit Tränen in den Augen berichtete er, daß er Blondis Leiche in den Garten hatte bringen müssen, wo er auf Befehl meines Mannes ihre fünf Welpen, auch den kleinen Wölfi, erschießen mußte, als sie die Zitzen ihrer toten Mutter suchten. Ich verstand nicht, was er hier wollte. Daraufhin sah er schweigend auf Stasi und Negus, die nebeneinander auf dem Bett saßen. »Nein, nicht!« rief ich. »Die dürfen die Russen doch haben!« Ich erstarrte und sah auf seinen Dackel, ein schokoladenfarbener Schatz mit einer braunen Nase.
    Tornow brach in Tränen aus, und ohne ein Wort zu sagen, verschwand er mit den drei Hunden. Zum Glück kann ich die Schüsse nicht hören. Wenn er wiederkommt, werde ich ihn bitten, dieses Manuskript im Garten zu verbrennen. Er ist der einzige, dem ich hier trauen kann.
    Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende. Ich liebe meinen Mann, aber was ist in ihn gefahren? Neun Hunde! Warum? Gleich klopft er höflich an meine Tür, um mich zu unserer Hochzeitsnacht im Feuer abzuholen.

19
    Als Maria wieder das Zimmer betrat, erstarrte sie auf der Schwelle. Sie sah sofort, daß etwas Verhängnisvolles geschehen war. Herter lag noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatte, mit geschlossenen Augen, doch gleichzeitig war er nicht wiederzuerkennen, als habe man ihn gegen sein Ebenbild aus dem Wachsfigurenkabinett in Amsterdam ausgetauscht. »Rudi!« schrie sie.
    Ohne die Tür hinter sich zu schließen, rannte sie zum Bett und rüttelte ihn an den Schultern hin und her. Als

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