Sieh dich nicht um
lassen. Die Marshals würden sie verschwinden lassen, einige Zeit würde sie sich in einem sicheren Haus aufhalten, und dann würde man sie wieder in eine fremde Stadt schicken, wo sie mit einer neuen Identität wieder aus der Versenkung auftauchen würde.
Auf keinen Fall, schwor sie sich. Lieber wäre ich tot.
Lacey ließ die Ereignisse Revue passieren, die sie überhaupt erst in diese Lage gebracht hatten. Wenn sie doch von Isabelle Waring nie den Auftrag bekommen hä tte, den Verkauf von Heather Landis Wohnung zu vermitteln! Wenn sie doch nur abgenommen hätte, als Isabelle sie am Vorabend ihres Todes anrief.
Wenn ich an dem Abend mit Isabelle gesprochen hätte, dann hätte sie mir vielleicht einen Namen genannt, dachte Lacey. Sie
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hätte mir sagen können, was sie in Heathers Tagebuch entdeckt hatte. Mann… das war ihr letztes Wort. Welcher Mann? Aber allmählich komme ich der Lösung näher, wer hinter der ganzen Sache steckt. Das ist sonnenklar. Eins von zwei Dingen war passiert. Entweder hat Mom mich verraten, ohne es zu wissen, oder es gibt eine undichte Stelle bei der Polizei. Vielleicht mußte Svenson sich in New York meine fünfzehnhundert Dollar Beitrittsgebühr für den Edina Health Club genehmigen lassen.
Möglicherweise hat bei der Bundesstaatsanwaltschaft jemand geplaudert. Aber das erschien Lacey unwahrscheinlich. So viele Menschen waren im Zeugenschutzprogramm. Gewiß wurden die zuständigen Beamten sorgfältig ausgewählt und genau überwacht.
Und wie stand es mit ihrer Mutter? Mom hat gestern abend in Alex Carbines Restaurant gegessen, überlegte Lacey. Alex mag ich gerne. An dem Abend, als Bonnie verletzt wurde, hat er sich großartig verhalten. Aber was wissen wir eigentlich über ihn?
Als ich ihn bei Kit und Jay kennenlernte, hat er uns erzählt, daß er Heather öfter begegnet war.
Vielleicht bat auch Jay Heather gekannt, flüsterte eine innere Stimme. Er hat es geleugnet. Doch als ihr Name fiel, war er aus irgendeinem Grund verärgert und wollte das Thema wechseln.
Wie kommst du nur auf den Gedanken, daß Kits Mann etwas damit zu tun haben könnte, schalt sich Lacey. Jay mag seine Macken haben, aber im Grunde ist er anständig und zuverlässig.
Wie stand es mit Jimmy Landi? Nein, ausgeschlossen! Sie hatte die Trauer in seinen Augen gesehen, als sie ihm die Kopie von Heathers Tagebuch übergab.
Und die Polizei? Heathers handgeschriebenes Tagebuch verschwand, nachdem ich es ihnen gegeben hatte, dachte Lacey.
Jetzt will Jimmy Landi wissen, ob der letzte Teil des Tagebuchs auf unliniertem Papier geschrieben war. Ich erinnere mich an die drei Seiten. Sie waren blutbefleckt. Wenn diese Kopien aus dem
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Polizeirevier verschwunden sind, müssen sie etwas Wichtiges enthalten.
Laceys Kopie des Tagebuchs steckte in ihrer Einkaufstasche, die sie unter dem Vordersitz verstaut hatte. Sie fühlte sich versucht, es herauszuholen und anzusehen, beschloß aber zu warten, bis sie die letzten drei Seiten ungestört studieren konnte.
Der Mann neben ihr mit dem Computer auf dem Schoß würde wahrscheinlich eine Bemerkung darüber machen, und sie hatte nicht die Absicht, mit irgend jemandem darüber zu reden. Nicht einmal mit einem völlig Fremden. Vor allem nicht mit einem völlig Fremden!
»Wir beginnen mit unserem Landeanflug…«
Chicago, dachte sie. Dann New York. Zu Hause!
Die Stewardeß beendete ihre kleine Ansprache mit dem Hinweis, sich nun anzuschnallen, und fügte hinzu: »Northwest bittet Sie um Verständnis für die wetterbedingte Verspätung.
Vielleicht interessiert es Sie, daß sich die Sicht unmittelbar nach unserem Start wieder verschlechtert hat. Wir waren die letzte Maschine, die starten konnte. Weitere Flüge haben erst vor wenigen Minuten Starterlaubnis erhalten.«
Dann habe ich mindestens eine Stunde Vorsprung vor meinem Verfolger, sagte sich Lacey.
Dieser tröstliche Gedanke wurde jedoch gleich wieder von einer anderen Möglichkeit verdrängt: Wenn ihr Verfolger sie in der Maschine nach New York vermutete, war er doch sicher schlau genug, einen Direktflug nach New York zu nehmen und sie dort zu erwarten?
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Alles in ihm sträubte sich dagegen, Alice allein zu lassen. Tom Lynch war schon einige Kilometer in Richtung St. Paul gefahren, wo er wohnte, als er plötzlich umkehrte. Er würde ihr klarmachen, daß er sie auf keinen Fall stören wollte, solange sie mit ihrer Mutter und anderen Angehörigen sprach, die an dem Zerwürfnis beteiligt sein
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