Sieh dich nicht um
mochten. Aber sie konnte doch bestimmt nichts dagegen haben, wenn er unten in der Eingangshalle ihres Hauses oder im Auto wartete, bis sie fertig war und ihn heraufbat. Offensichtlich hat sie Schwierigkeiten, und ich will für sie dasein, dachte er.
Nachdem er sich entschlossen hatte, zu ihr zurückzufahren, stellten die übertrieben vorsichtigen Fahrer, die wegen des Schneesturms im Schneckentempo dahinkrochen, seine Geduld auf eine harte Probe.
Das erste Anzeichen dafür, daß etwas nicht stimmte, waren die Polizeiautos, die mit blinkendem Blaulicht vor Alices Apartmenthaus standen. Ein Polizist regelte den Verkehr und scheuchte die Schaulustigen energisch weiter.
Tom hatte die beklemmende Vermutung, daß die Anwesenheit der Polizei etwas mit Alice zu tun hatte. Einen Block weiter fand er endlich einen Parkplatz und eilte im Laufschritt zurück. Am Eingang hielt ihn ein Polizist auf.
»Ich möchte nach oben«, erklärte er dem Cop. »Meine Freundin wohnt hier, und ich will nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Wie heißt Ihre Freundin?«
»Alice Carroll, Apartment 4F.«
Die Reaktion des Polizisten bestätigte Toms Verdacht, daß Alice etwas zugestoßen sein mußte. »Kommen Sie mit. Ich
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bringe Sie hinauf«, sagte der Beamte.
Im Fahrstuhl zwang sich Tom, die Frage zu stellen, die er kaum in Worte zu fassen wagte. »Ist ihr etwas zugestoßen?«
»Wenn Sie noch ein bißchen Geduld haben, können Sie gleich mit dem zuständigen Kollegen sprechen, Sir.«
Die Tür zu Alices Wohnung stand offen. Drinnen sah er drei Uniformierte, die von ihrem Vorgesetzten Anweisungen entgegennahmen. In ihm erkannte Tom den älteren Mann wieder, der Alice kürzlich heimgebracht hatte.
Tom unterbrach ihn. »Was ist mit Alice passiert?« rief er.
»Wo ist sie?«
An Svensons überraschter Miene sah Tom, daß auch er ihn wiedererkannte, aber für Begrüßungsfloskeln war jetzt keine Zeit. »Woher kennen Sie Alice, Mr. Lynch?«
»Hören Sie«, sagte Tom. »Ich werde Ihre Fragen erst beantworten, wenn Sie meine beantwortet haben. Wo ist Alice?
Warum sind Sie hier? Wer sind Sie?«
»Ich bin stellvertretender U. S. Marshal«, erwiderte Svenson knapp. »Wir wissen nicht, wo Miss Carroll ist. Wir wissen nur, daß sie bedroht wurde.«
»Dann war der Kerl ein Schwindler, der sich gestern im Fitneßclub für ihren Vater ausgegeben hat!« rief Tom hitzig.
»Ich dachte es mir schon, doch als ich Alice von ihm erzählt habe, hat sie nur gesagt, daß sie ihre Mutter anrufen müsse.«
»Welcher Kerl?« fragte Svenson. »Erzählen Sie mir alles, was Sie über ihn wissen, Mr. Lynch. Es könnte Alice Carroll das Leben retten.«
Als Tom schließlich nach Hause kam, war es nach halb fünf.
Am Anrufbeantworter konnte er ablesen, daß er vier Nachrichten erhalten hatte. Wie er erwartet hatte, stammte keine von Alice.
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Ohne die Jacke auszuziehen setzte er sich an den Tisch neben das Telephon und stützte den Kopf auf die Hände. Svenson hatte ihm lediglich verraten, daß Miss Carroll telephonische Drohungen erhalten und sich an die Polizei gewandt habe.
Offenbar hatte sie an diesem Vormittag einen panischen Schreck erlitten, und deshalb sei die Polizei gekommen. »Vielleicht ist sie weggefahren, um eine Freundin zu besuchen«, sagte Svenson in wenig überzeugendem Tonfall.
Oder sie ist entführt worden, dachte Tom. Ein Kind hätte gemerkt, daß die Cops nicht mit der Wahrheit herausrücken wollten. Sie versuchten, Ruth Wilcox vom Twin Cities Gym zu erreichen, aber sie hatte das Wochenende frei. Die Polizei brauchte eine genauere Beschreibung des Mannes, der behauptete, Alices Vater zu sein.
Tom hatte Svenson erzählt, daß Alice versprochen hatte, ihn anzurufen. »Wenn Sie von ihr hören, sagen Sie ihr, sie soll Kontakt mit mir aufnehmen – und zwar sofort«, befahl Svenson ernst.
Vor seinem geistigen Auge sah Tom Alice, schweigsam und schön, wie sie im Haus des Bankiers in Wayzata am Fenster stand. Das war erst eine Woche her. Warum hast du mir nicht vertraut? hätte er sie am liebsten angeschrien. Heute morgen konntest du es gar nicht abwarten, mich loszuwerden!
Einen einzigen Anhaltspunkt hatte ihm die Polizei verraten.
Eine Nachbarin hatte ausgesagt, sie habe Alice gegen elf Uhr ins Auto steigen sehen. Ich bin Viertel vor elf von ihr weggefahren, dachte Tom. Wenn die Nachbarin recht hat, dann ist Alice nur zehn Minuten nach mir aufgebrochen.
Wo mochte sie hingefahren sein?
Wer war sie in Wirklichkeit?
Tom
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