Sieh dich um: Thriller (German Edition)
von den Messdienern gehört habe, die Sie in den 80er-Jahren als Pastor der katholischen Kirche von Southbridge, Massachusetts geschändet haben. Nicht mal annähernd, Vater. Wenn Sie sich jetzt bitte endlich setzen würden!«
Hess’ Kinnlade sank herab. Übelkeit stieg in ihm hoch. Er bückte sich, stellte den Stuhl wieder hin und nahm darauf Platz. Dabei kämpfte er gegen den Drang an, sich zu übergeben. Sein Gesicht war weiß wie ein Laken geworden, der perfekte Kontrast zu seiner schwarzen Soutane.
»Ich habe niemandem wehgetan!«, schluchzte Hess. Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und verbarg das Gesicht in den Händen. »Ich habe ihnen nicht wehgetan!«
O’Hara schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, Vater«, sagte er beschwichtigend. »Und so wird man Sie auch in Erinnerung behalten, wenn Sie von jetzt an genau das tun, was ich Ihnen sage. Wenn Sie sich hingegen entscheiden, meine Anweisungen nicht zu befolgen, dann fürchte ich, bleibt mir nichts anderes übrig, als die dreizehn in meinem Besitz befindlichen eidesstattlichen Erklärungen an die Presse weiterzuleiten, aus denen Ihre Schuld zweifelsfrei hervorgeht. Dreizehn eidesstattliche Erklärungen Ihrer inzwischen erwachsenen Opfer von damals. Und jetzt hören Sie mir genau zu, Vater. Auf Ihrer Seite des Tischs finden Sie eine Schublade. In dieser Schublade finden Sie einen zweiten Revolver. Bei dieser Waffe befindet sich in jeder Kammer der Trommel eine Patrone, jeder Zufall ist also ausgeschlossen. Sie wissen, was Sie zu tun haben; tun Sie es. Tun Sie es jetzt . Es ist ganz einfach.«
Hess zögerte einen Moment, bevor er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die Schublade vor sich aufzog. Wie versprochen lag darin ein kleiner schwarzer Revolver.
Hess wischte sich bittere Tränen aus den Augen. Ob es ihm gefiel oder nicht, er wusste, dass er überführt war. Er hatte die Verbrechen begangen, die der Unbekannte ihm vorwarf – und es gab nicht nur diese dreizehn Opfer, sondern wesentlich mehr. Der Zeitpunkt der Sühne war gekommen. Tief in seinem Innersten hatte er immer gewusst, dass dieser Tag einst kommen würde. Er war keinen Deut besser als der Mann vor ihm.
Bischof Anthony Hess hob die Waffe an seine Schläfe und drückte ab. Einen Sekundenbruchteil später spritzte sein Gehirn durch die Luft und vermischte sich mit dem Blut und der Hirnmasse des verurteilten Kinderschänders Daniel Dierkson zu einem widerwärtigen, grau-roten Brei.
Edward O’Hara schaltete die Monitore vor sich aus und erhob sich von seinem Stuhl. So unangenehm die vor ihm liegende Aufgabe auch sein mochte, es war Zeit aufzuräumen.
Und danach versprachen die Dinge, erst richtig interessant zu werden.
42
Anderthalb Stunden nach ihrem letzten Treffen mit Mario Garabaldi in einem prunkvollen Konferenzraum im Fontainebleau Hotel kauerten Dana und Brown in ihrem Überwachungswagen vor Vitos Bar in Little Italy und belauschten, wie ihr Informant ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel mit seinem Boss spielte, bei dem es um nicht mehr und nicht weniger als das Leben des Überläufers ging. Auf dem geschäftigen Bürgersteig vor der Bar hielten bewaffnete Gorillas Wache, rauchten filterlose Zigaretten und unterhielten sich gelegentlich hinter vorgehaltener Hand.
Unterlegt von Statik aufgrund der pechschwarzen Gewitterfront, die über der gesamten Gegend hing, ertönte einen Moment später Garabaldis Stimme direkt in Danas und Browns Kopfhörern. »Ich bin mit dem Boss verabredet«, sagte Garabaldi zu einem der Gorillas.
Eine tiefe Stimme antwortete: »Wir müssen dich zuerst abklopfen, Mario. Du kennst den Ablauf ja. Arme hoch und Beine auseinander. Keine plötzlichen Bewegungen, sonst puste ich dir den verdammten Schädel weg, klar? Genau wie du bei Joey.«
Dana stockte der Atem. Wenn der Mafioso Garabaldi abtastete, bestand immer die Gefahr – so gering sie sein mochte –, dass er das Mikrofon und den winzigen Sender entdeckte, die sie und Brown in Garabaldis Gürtel versteckt hatten. Zum Glück erklang als Nächstes die Stimme von Joseph Tucci höchstpersönlich und verhinderte, dass es so weit kam.
Tuccis Stimme durchschnitt den Hintergrundlärm in der Bar wie ein scharfes Messer. »Nicht nötig, Salvatore«, sagte Tucci. »Wenn ich Mario nicht mehr vertrauen kann, Scheiße, dann kann ich niemandem mehr vertrauen.«
Dana stieß die Luft aus und drückte sich die Hörmuscheln ihres Kopfhörers noch fester
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