Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Thema, das weit über das verdiente Maß hinausging und Jahr für Jahr Berge von Artikeln, Berichten, Filmen und Büchern hervorbrachte.
Die breite öffentliche Faszination an Serienmorden hatte ihren Anfang in den späten 1880er-Jahren genommen, als der berüchtigte Jack the Ripper in der Gegend von Whitechapel, London, fünf Prostituierte skrupellos ermordet hatte. Seither stammte ein Großteil des Allgemeinwissens über Serienmörder aus Hollywood, das noch nie als besonders zuverlässige Informationsquelle gegolten hatte. Spannende Handlungsstränge eigneten sich viel besser dafür, das Interesse der Zuschauer zu fesseln, als eine präzise Darstellung von Serienmorden.
Dana griff in ihre Tasche und nahm eine sterile Pinzette aus einer Kunststoffverpackung. Sie bückte sich, um das Foto des Jungen aufzuheben, und hielt es so in die Höhe, dass sowohl sie als auch Brown es betrachten konnten. Dann drehte sie sich um und legte das Bild auf den Wohnzimmertisch direkt neben die Schachbiografie.
Mit erhobener Stimme wandte sie sich an die Tatorttechniker im Raum. »Okay, Leute«, sagte sie. »Hören Sie mir zu, und zwar aufmerksam. Ich will jede Menge Aufnahmen dieses Fotos auf dem Tisch. Hat jemand einen Laptop mit Internetverbindung dabei?«
Der Fotograf, der die Schachbiografie abgelichtet hatte, meldete sich. »Ich habe einen, Ma’am.«
»Großartig. Könnten Sie ein paar Bilder auf den Laptop ziehen und per E-Mail an unser Büro schicken?«
»Selbstverständlich. Das ist überhaupt kein Problem. Wie lautet Ihre Adresse?«
Dana nannte ihm ihre E-Mail-Adresse und die von Brown. »Machen Sie hochauflösende Bilder. Und ich möchte, dass sie gestochen scharf sind. So viele Details wie möglich.«
»Kriegen Sie.«
Während der Fotograf seine Ausrüstung vorbereitete, nahm Dana die Patrone mithilfe der Pinzette vom Tisch und deponierte sie in einem durchsichtigen Asservatenbeutel, bevor sie das Schachbuch in einen übergroßen Umschlag schob und beide Beweisstücke beschriftete. Sie würde sich mit dem Bild des kleinen Jungen beschäftigen, sobald der Fotograf die ihm zugewiesene Aufgabe zu ihrer Zufriedenheit erledigt hatte. Als sie mit dem Beschriften der beiden Beweisstücke fertig war, drehte sie sich zu Brown um und spürte tief in der Magengrube den vertrauten Nervenkitzel der Jagd, nach dem man unweigerlich süchtig wurde. Das war ein Teil des Jobs, dessen sie niemals überdrüssig wurde. Die Chance, das Kräfteverhältnis zugunsten der Schwachen und Unschuldigen auszugleichen. Etwas wirklich Nützliches mit dem Leben anzufangen.
»Wir spielen das Foto den Medien zu, so schnell es geht«, sagte sie. »Aber zuerst will ich in Erfahrung bringen, ob wir den Jungen auf dem Bild identifizieren können. Es könnte durchaus auch ein Trick sein, ein Ablenkungsmanöver. Vielleicht kommen wir ihm allmählich näher, vielleicht wird er nervös – ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass ich die Stadt wegen dieses Kerls nicht noch mehr in Panik versetzen will. Falls wir uns mit unserer Annahme irren, dass der Schachbrett-Mörder als Nächstes Kinder im Visier hat – wenn er mit der neuen Partie einen anderen Ansatz verfolgt –, dann erwischt es die öffentlichen Schulen ohne jeden Grund. Niemand würde seine Kinder nach draußen schicken, wenn auch nur die geringste Gefahr besteht, dass sie entführt werden könnten, also müssen wir uns zuerst absolut sicher sein.«
Brown nickte. »Gutes Argument. Wir müssen außerdem herausfinden, ob das Foto in irgendeinem Zusammenhang mit Stephanie Mann steht.«
Er legte einem vorbeigehenden Uniformierten die Hand auf die Schulter. »Haben wir inzwischen Angehörige von Stephanie Mann?«, wollte er wissen. Das NYPD hatte sich zwar ursprünglich gegen das Hinzuziehen des FBI gesträubt, dann jedoch hatte man die kleinlichen Eifersüchteleien um des großen Ganzen willen beigelegt. Es waren zu viele Menschen gestorben, um über Zuständigkeiten zu streiten. Eine der wenigen guten Entwicklungen, die sich durch den Fall ergeben hatten.
Der grauhaarige Beamte – den Dienstzeitwinkeln auf dem Ärmel nach ein Veteran des NYPD – schüttelte den Kopf. »Noch nicht, Sir. Wir haben ihre Sozialversicherungsnummer in den Computer eingegeben, aber keine lebenden Angehörigen gefunden. Beide Eltern starben 1996 bei einem Autounfall. Sie war nie verheiratet.«
Brown streckte den Hals. »Kinder?«
»Nicht, dass wir wüssten, Sir.«
Brown nickte. »Schön, arbeiten
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