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Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Osborne
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Nerven dafür fehlten, sondern aufgrund der Locard’schen Regel.
    Der französische Forensiker Edmond Locard hatte die nach ihm benannte, bahnbrechende Theorie Ende der 1920er-Jahre postuliert und damit brandneues Ermittlungsrüstzeug für Strafverfolgungsbehörden weltweit erschlossen. Die Locard’sche Regel besagte, dass jeglicher Kontakt eine Spur hinterließ. Angefangen von Haaren über Fasern von Bekleidung bis hin zum Schmutz an den Schuhen – eine Übertragung in der einen oder anderen Form war geradezu unvermeidlich. Wenn also Brown irgendetwas am Fernseher aufgenommen hatte, wollte er es nicht auf das Schachbuch übertragen.
    Eine eigenhändige Untersuchung der Leiche stand ohnehin nicht zur Debatte. In diesem breiigen Zustand war diese Aufgabe in den Händen der Pathologin viel besser aufgehoben – wenn und falls diese entschieden unpünktliche Frau am Tatort aufzutauchen gedachte. Eine falsche Bewegung, und Dana und Brown hätten unter Umständen versehentlich unwiederbringliche Beweise vernichtet. Sie konnten sich in diesem Stadium nicht erlauben, auch nur das winzigste Indiz zu verlieren.
    Dana betrachtete ihre eigenen Handschuhe, um sich zu vergewissern, dass sie sauber waren, bevor sie das Buch vom Tisch ergriff. Es war wesentlich leichter verdaulich als der Anblick von Stephanie Manns geschundenem, halb verwestem Leichnam, keine Frage, aber es reichte dennoch, um ihre Eingeweide mit kalter Beklommenheit auszufüllen. Der Killer hatte dieses Buch in den Händen gehalten und berührte dadurch indirekt sie .
    Das mächtige Buch lag schwer in ihren Händen, als sie es aufschlug und methodisch durch die Seiten blätterte, angefangen bei Kapitel eins bis zum Ende.
    Ihr stockte der Atem, als genau in der Mitte das lächelnde Gesicht eines Kindes auf den abgewetzten Teppich unter ihren Füßen flatterte.
    4
    Danas Herz schien drei Schläge lang auszusetzen. Brown sog überrascht die Luft ein.
    Das grinsende Gesicht mit den beiden fehlenden Zähnen auf dem Schulfoto gehörte einem vielleicht fünf oder sechs Jahre alten Jungen. Möglicherweise einem Vorschulkind oder einem Erstklässler. Älter wohl kaum.
    Struppiges braunes Haar mit etlichen Wirbeln über einem hinreißenden Gesicht mit tiefen Grübchen rechts und links des lachenden Mundes. Rehbraune Augen leuchteten angesichts der Aufregung, die der Fototag an der Schule mit sich brachte. Bestimmt hatte er irgendwo in einer Tasche seiner Kordhose einen Plastikkamm. Schließlich wollte er zweifellos gut aussehen für seine Mama, wenn das Studio die Abzüge fertig hatte. Sie würden die Bilder an die ganze Familie weiterschicken. Der Kühlschrank der Oma war sicher voll von ähnlichen Fotos, die einen Ehrenplatz zwischen ihren Essensgutscheinen für Frühbucher und Kirchenterminplänen einnahmen.
    Mehrere Sekunden lang schwiegen sowohl Dana als auch Brown. In der Luft knisterte es wie von elektrischer Spannung.
    Brown ergriff als Erster das Wort. Seine normalerweise ruhige, gelassene Stimme zitterte. »Gütiger Himmel, Dana«, flüsterte er. »Wir müssen das sofort an die Medien weitergeben! Dieser Junge könnte das nächste geplante Opfer des Killers sein! Sehr wahrscheinlich sogar.«
    Er stieß langsam die Luft aus, bevor er fortfuhr, und die Papiermaske blähte sich erneut. »Das heißt, falls der arme Junge nicht schon tot ist.«
    Danas Blick verschwamm. In ihren Ohren surrte es. Bevor sie es verhindern konnte, kehrten ihre Gedanken zum letzten Serienmordfall zurück, den sie zusammen mit Brown bearbeitet hatte. Den ersten Fall, bei dem sie und Brown ein Team gebildet hatten. Damals hatte der Cleveland Slasher fünf kleine Mädchen ermordet, alle unter zehn Jahre alt. »Nicht noch einmal …«, flüsterte sie mit belegter Stimme.
    Sie schüttelte heftig den Kopf, um den schrecklichen Gedanken zu vertreiben. Natürlich passierte es nicht noch einmal. Es konnte nicht noch einmal geschehen. Nathan Stiedowe war tot. Sie hatte ihn eigenhändig getötet. Er war ein für alle Mal erledigt und würde nicht zurückkehren. Er konnte niemandem mehr wehtun, niemals. Dana hatte dafür gesorgt, als sie ihm zuerst zwei Kugeln in die Knie und danach eine in den Bauch geschossen hatte.
    Trotzdem war sie für einen Moment ins Grübeln geraten …
    Erneut schüttelte sie den Kopf. Die Vorstellung war absolut lächerlich. Sie brauchte keine Angst mehr vor Nathan Stiedowe zu haben. Ihr Bruder würde nicht zurückkehren, um zu beenden, was er angefangen hatte. Er

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