Sieh dich um: Thriller (German Edition)
allein wiederbelebt hatte. Brandts bemerkenswerter Bauch presste sich gegen ein zerknittertes weißes Hemd mit aufgeknöpftem Kragen. Unter den kurzen Hemdsärmeln lugten dicht behaarte Popeye-Unterarme hervor. Die ungleich langen Enden einer offenen Krawatte hingen bis zehn Zentimeter über seinen Bauch.
Brandt war schlampig von Kopf bis Fuß und der Inbegriff eines beinharten Reporters, wie er aus dem Casting für eine Neuverfilmung von Die Unbestechlichen hätte stammen können. Er gehörte zu der Sorte, die nicht um Gnade baten und umgekehrt keine gewährten – niemals. Er schwitzte stark, während er immer wieder in die Bluse von Lisa Morales schielte, einem früheren Model, das zum Fernsehen gewechselt war und allein durch ihre gewagte, eng sitzende Garderobe die Quoten von Channel Two um dreißig Prozent gesteigert hatte. Mehr Augenweide als eine richtige Journalistin.
Neben Brandt und Morales stand Raymond Garcia, das siebenundzwanzigjährige Wunderkind der Enthüllungsreporter der New York Times . Zumeist ein netter Bursche, obwohl er launenhaft werden konnte, wenn er den Verdacht hegte, dass Dana und Brown ihm etwas vorenthielten. Garcias Markenzeichen war eine rote Fliege, die in krassem Kontrast zu dem blau gestreiften Hemd und den gelben Hosenträgern stand, die eine Hommage an eine längst vergangene Ära der schreibenden Zunft darstellten. Im Winter gehörte Garcia zu den ernsten jungen Männern, die am liebsten Tweedjacken mit Flicken an den Ellbogen trugen. Dana wäre nicht im Mindesten überrascht gewesen, wenn er eine Pfeife besäße – wahrscheinlich eine aus Meerschaum.
Zwanzig weitere Reporter komplettierten die lärmende Horde. Sie rempelten sich gegenseitig und stießen einander die Kameras beiseite, als sie versuchten, einen kleinen Platz für sich zu erobern, der zugleich den günstigsten Winkel für eine Aufnahme bot. Schlimmer noch, mit jeder Sekunde kamen neue Reporter, parkten ihre Wagen kreuz und quer auf der verkehrsreichen Straße und stürmten mit Bleistift und Notizblöcken in den Händen in Richtung der Absperrung.
Dana stieß frustriert die Luft aus. Sie mochte New York City mehr als die meisten anderen Städte im Land, und sie fühlte sich hier zu Hause, aber die Presse im Big Apple war ein einziges gewaltiges Ärgernis. Cleveland war dagegen ein ruhiges Dorf. Wann immer Dana mit der Presse von New York zu tun hatte, erinnerte es sie an die Fütterungszeit im Zoo. Und an diesem Tag sahen die Affen in der Tat äußerst hungrig aus. Sie waren geradezu unersättlich , was den Schachbrett-Mörder anging. Ganz egal, wie viele Informationen Dana und Brown ihnen gaben, sie hörten nicht auf, nach mehr zu schreien. Nicht, dass Dana ihnen ihren Eifer verdenken konnte. Schließlich ging es kaum blutiger als in diesem Fall, was die Berichterstattung über Serienmörder und die Details ihrer grausigen Verbrechen betraf. Es war eine Titelblattstory der Art, die über Gedeih oder Verderb einer ganzen Karriere entscheiden konnte.
Dana versuchte, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen, als sie zusammen mit Brown den rissigen Weg hinunter und direkt in das Sperrfeuer gebrüllter Fragen lief, die aus allen Richtungen auf sie einprasselten. Blitze zuckten, Fernsehkameras surrten. Mikrofone an langen Aluminiumstangen senkten sich über ihre Köpfe.
»Agent Whitestone, Agent Brown! Nick Brandt von der New York Post . Hat der Schachbrett-Mörder erneut zugeschlagen?«
»Wo ist der Informationsbeauftragte für die Presse?«, warf Raymond Garcia dazwischen. Beim Klang seiner Stimme erkannte Dana sofort, dass Garcia einen schlechten Tag hatte. Vielleicht hatte er aus irgendeinem Grund Ärger mit seinem Redakteur. Jedenfalls schien er nicht in der Stimmung zu sein, sich einfach abspeisen zu lassen und ohne neue Informationen zu gehen. »Wir brauchen Antworten, Agent Whitestone!«, rief Garcia mit der weinerlichen Stimme eines verzogenen Kindes. »Sie schulden uns Antworten. Wir haben ein Recht darauf, wir sind die Presse! Sie werden von unseren Steuergeldern bezahlt! Weichen Sie uns nicht immer wieder aus! Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor das FBI diesen Irren endlich schnappt?«
Lisa Morales stand einfach nur da und sah hübsch aus. Genau dafür wurde sie bezahlt, und darin war sie verdammt gut.
Dana und Brown hielten die Köpfe gesenkt und huschten in die schmale Gasse, die entlang der Seite des heruntergekommenen Wohnblocks nach hinten verlief. Brown zog ein Stück
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