Sieh dich um: Thriller (German Edition)
sanften Brise einfach auf den Ozean hinausgeweht wurden. Sie würde mit größtem Vergnügen doppelte Steuern zahlen, wenn es ihr und Brown dafür gelänge, den ersten Teil der Gleichung von Tod und Steuern zu beseitigen und den Schachbrett-Mörder aus dem Verkehr zu ziehen. Das wäre eine vernünftige Verwendung für das Geld.
»Manchmal scheint es wirklich so zu sein«, erwiderte Dana. »Tod und Steuern sind jedermanns beste Freunde. Sie sind die einzigen Konstanten, auf die man immer zählen kann.«
Dana verstummte kurz, dann fügte sie hinzu: »Hey, Maggie? Könntest du mir vielleicht per Kurier die Autopsiefotos der Bobby-Fischer-Morde zukommen lassen? Ich würde vor dem Hintergrund dieser neuen Informationen gern noch mal einen Blick darauf werfen.«
»Klar, Dana, kein Problem. Ich kümmere mich darum, sobald wir fertig geredet haben.«
Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, dann beendete Dana das Gespräch und wandte sich an Brown. Er war damit beschäftigt, etwas in sein Mobiltelefon zu tippen.
Brown klappte das Gerät zu und schob es zurück in die Tasche, als Dana sich laut räusperte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Erwartungsvoll sah er sie an.
Dana wollte ihn gerade über die neueste Entwicklung informieren, als unvermittelt der flüchtige Gedanke von vorhin zurückkehrte. Das Blut gefror ihr in den Adern.
In Browns attraktive Züge trat ein besorgter Ausdruck. Er streckte die Hand aus und berührte Dana vorsichtig an der Schulter. »Hey, alles in Ordnung? Du bist plötzlich so blass geworden. Was ist denn?«
Dana starrte zu ihrem Partner hoch. Mit ihren eins zweiundsechzig musste sie zu praktisch jedem aufschauen. Adrenalin strömte heiß durch ihre Andern, und die Nackenhaare standen ihr zu Berge. Sie hatte Mühe zu atmen.
Dana schüttelte sich und erschauerte zum dritten Mal im Verlauf der vergangenen Stunde. Sie kannte dieses Gefühl, kannte es nur zu gut. Sie hatte es schon öfter erlebt. Es war so etwas wie ihr »sechster Sinn«.
Wann immer dieses Gefühl auftauchte, bedeutete es, dass irgendjemand kurz davor war, einen grauenhaften Tod zu sterben.
»Was ist denn?«, fragte Brown erneut. »Nun rede schon mit mir!«
Dana versuchte, ihre bebenden Hände zu beruhigen. Vergeblich. Sie wollten nicht aufhören zu zittern.
Sie hielt inne, um den Gedanken geistig auszuformulieren, bevor sie ihn schließlich äußerte. »Ich denke, wir haben möglicherweise die ganze Zeit einen falschen Ansatz verfolgt«, sagte sie mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war.
Brown zog eine Augenbraue hoch und musterte sie. »Wie meinst du das?«, wollte er wissen.
Dana schloss die Augen und ließ sich endgültig auf den Gedanken ein. Was sollte es schon? Wenn sie sich irrte, dann irrte sie sich eben. Sie würde sich später mit den Konsequenzen beschäftigen, falls es welche geben sollte.
»Ich denke, dass wir es unter Umständen mit zwei Serienmördern zu tun haben, Jeremy«, stieß sie hervor und sah Brown fest in die Augen. »Mit zwei Mördern, nicht nur einem. Und wenn ich mich nicht irre, arbeiten die beiden zusammen.«
Zweiter Teil
VORRÜCKENDE BAUERN
»Wenn du einen guten Zug siehst, suche nach einem besseren.«
Emanuel Lasker, deutscher Schachgroßmeister, Mathematiker und Philosoph, der siebenundzwanzig Jahre lang den Weltmeistertitel innehatte
6
Mittwoch, 12:58 Uhr
Der Sieger der letzten Partie wurde durch das einfache Werfen einer Münze in der prunkvollen, marmorvertäfelten Lobby des Fontainebleau Hotels in Downtown Manhattan bestimmt.
Das Prozedere war natürlich trotz der pompösen Inszenierung eher eine Zeremonie. Die beiden Männer waren bereits vor langer Zeit übereingekommen, ihre Partien bis zum unausweichlichen Ende durchzuspielen, ganz gleich, was beim Werfen der Münze herauskommen mochte. Das taten sie immer. Es lag in der Natur ihrer Spiele, in der Natur der Sache. Es bildete den Kern dessen, was sie zu vollbringen versuchten.
Sergej Michalovic zog die rechte Hand vom linken Handrücken und hielt das Ergebnis über den Tisch, damit es der ihm gegenübersitzende Mann sehen konnte. Auf der mit blassblauen Adern durchzogenen weißen Haut, die sich straff über vorstehende Knochen spannte, schimmerte die atemberaubende Darstellung der Freiheitsstatue im sanften Licht von der Decke. Sie hielt eine flammende Fackel in der einen und einen Olivenzweig in der anderen Hand. Krieg in der Rechten, Frieden in der Linken.
Michalovic grinste wie ein aufgeregter
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