Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Park ging. Aus irgendeinem verdammten Grund dachte jeder, wirklich jeder auf der Welt, er hätte ein Recht darauf, das arme kleine Ding mit seinen keimverseuchten Flossen anzufassen. Doch Michalovic wollte nicht unhöflich erscheinen, also beugte er sich vor und reichte O’Hara die Münze. Der Ire nahm sie behutsam entgegen und machte sich sofort daran, das glänzende Ding mit fachkundigem Blick zu untersuchen.
Michalovic lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen zusammen und bemühte sich nach Kräften, das intensive Gefühl von Unruhe zu ignorieren, das seinen Körper durchflutete, während O’Hara sein Baby mit schmutzigen Fingern betastete. »Es ist ein wunderbares Stück«, meinte der Russe bemüht beiläufig. »Eine der schönsten Münzen der Welt, was niemand abstreiten dürfte. Und was Sie vorhin über das Leben und Sterben gesagt haben, Edward, das stimmt durchaus. Andererseits wird das Leben hier in den Vereinigten Staaten sehr viel wertvoller eingeschätzt, nicht wahr? Wie der St. Gaudens Double Eagle – ein begehrtes Gut, das man nicht ohne Weiteres und ohne Bedauern auf den Müll wirft. Leider passiert dort, wo ich herkomme, genau das. Wir beide hingegen werden nie ein Leben gedankenlos verschwenden, es sei denn, wir sind völlig überzeugt von dem Nutzen, der damit einhergeht. Ich glaube aufrichtig und von Herzen, dass das, was wir tun, etwas Ehrenwertes ist.«
O’Hara blickte von der Münze auf und nickte ernst. »Ganz meine Meinung, Sergej«, sagte er. »Ganz meine Meinung.«
Michalovic beugte sich vor, während O’Hara die sorgfältige Begutachtung der Münze fortsetzte. Mit einem irritierten Seitenblick verscheuchte er einen Kellner, der sich um den Inhalt ihrer Gläser zu sorgen schien, als hinge sein Leben davon ab. Der Mann rannte fast aus dem Saal. Ein Bauer, ein einfacher Bauer im Spiel des Lebens, der nicht anders konnte, als in der Gegenwart von Königen zu erzittern.
Sergej Michalovic wusste, dass er und O’Hara in den Vereinigten Staaten genau das verkörperten: Könige. Ihr Reichtum machte sie dazu.
Der russische Milliardär und Reeder hatte seine Operationsbasis erst vor zwei Jahren an die wesentlich einladenderen Gestade der Vereinigten Staaten verlegt, doch er fühlte sich bereits wie ein echter Amerikaner. Hier gestalteten sich die Dinge erheblich einfacher, wenn es um seine großen und vielschichtigen finanziellen Belange ging. Einfacher und insgesamt ansprechender.
Mittlerweile gab es für Michalovic keine verrauchten Vorstandszimmer mehr, voll mit schwitzenden, rotgesichtigen Kerlen, deren Anblick er nur mit größter Mühe ertragen konnte. Keine Umschläge voll Bargeld, um eine besonders komplizierte Transaktion ein wenig zu schmieren. Keine bewaffneten Leibwächter, die jede Nacht an seinem Bett wachten, wenn er sich schlafen legte, entweder in seinem weitläufigen Moskauer Anwesen mit den nicht weniger als sechzehn Brunnen oder in seiner viel konservativeren Datscha draußen auf dem Land, wo das Wasser für den Tag immer noch bei jedem Wetter jeden Morgen mittels einer antiken Handpumpe aus dem Boden geholt wurde.
Nicht, dass es keine zwielichtigen Deals mehr gegeben hätte – natürlich nicht, ganz im Gegenteil. Aber im Gegensatz zur Heimat kamen Geschäfte dieser Art in Amerika ohne Nervenkitzel aus. Wenn man in Russland auf frischer Tat erwischt wurde, konnte es durchaus bedeuten, dass einem von skrupellosen Männern mit gegensätzlichen finanziellen Interessen die Kehle aufgeschlitzt wurde. In Amerika verliefen solche Geschäfte im Vergleich dazu beinah trivial, wurden ungeniert mitten in der Öffentlichkeit durchgeführt. Details wurden nicht selten im grellen Scheinwerferlicht von Fernsehkameras abgesprochen, die alles verfolgten, damit jeder, der wollte, zusehen und darüber diskutieren konnte. Das war Kapitalismus, und soweit es Sergej Michalovic betraf, handelte er sich um das beste Wirtschaftssystem der Welt.
Überleben des Stärksten. Qualität setzt sich immer durch. Und so weiter. So sollte es sein. Und in einer von unzähligen Giganten bevölkerten Finanzlandschaft gehörte er zu den größten Giganten überhaupt.
Bei dem tröstlichen Gedanken fand der Russe sein Lächeln wieder, dann grinste er angesichts der wundervollen Vorstellung dessen, was auf ihn und O’Hara wartete, noch breiter. Das strahlende Lächeln bildete die perfekte Ergänzung zu seinem athletischen Körperbau, seiner lässigen Art und dem sorgfältig frisierten silbernen
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