Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Haar.
Daheim in Russland, wo die Kommunistische Partei nach der hoffnungslos gescheiterten Glasnost-Politik erschreckend an Beliebtheit zurückgewonnen hatte, wurden solche zwielichtigen Geschäfte in der Regel als Manipulation der finanziellen Infrastruktur des Landes betrachtet, die dem Wohl der Allgemeinheit zuwiderlief. Hier in Amerika nannte man das einfach »Lobbyismus«.
Ja, das Leben war definitiv gut in den Vereinigten Staaten. Verdammt gut sogar – und es würde bald noch sehr viel besser werden!
Oder zumindest sehr viel interessanter .
Dieser Tage musste Michalovic keine Briefumschläge mehr mit finanziellen Anreizen für seine heimlichen und oft tödlichen Transaktionen vollstopfen, die nicht selten die zwielichtige Schattenseite Moskaus ans Licht zerrten. Stattdessen stellte er einfach Schecks auf Politiker aus, von denen er glaubte, sie würden seine finanziellen Interessen wahren, sobald sie in ein öffentliches Amt gewählt waren.
Die Kosten variierten zwar gelegentlich ein wenig, aber die grobe Preisliste blieb stets die gleiche: fünfundzwanzig Riesen für einen Staatssenator, fünfzig Riesen für den Gouverneur, einhunderttausend Dollar, um die Gunst eines Mitglieds des Repräsentantenhauses zu erlangen. Für eine Viertelmillion konnte man sich seinen eigenen neuen Senator der Vereinigten Staaten kaufen – und zum späteren Gebrauch in die Tasche stecken, und für eine Viertelmillion mehr bekam man einen alteingesessenen Senator mit allem Drum und Dran. Geradezu geschenkt, wenn man über den grenzenlosen Reichtum von Michalovic verfügte. Und wenngleich das System in seiner gegenwärtigen Form nicht perfekt war, bestand für Michalovic der einzige wirkliche Haken darin, dass die Wahlkampfspenden nicht von der Steuer abgesetzt werden konnten. Jedenfalls noch nicht. Im Grunde brauchte man nur darüber nachzudenken, wer die Macht besaß, diese Gesetze zu ändern.
Politiker. Dieselben Politiker, deren Wahlkampfkassen Michalovic so großzügig füllte.
Der Russe griff unter seinen Stuhl, richtete sich mit einem leisen Ächzen auf und schob eine Schachtel über den Tisch, die er eigenhändig in neutrales braunes Fleischerpapier gewickelt und mit einem Stück einfacher Schnur zusammengebunden hatte. »Ein kleines Geschenk für Sie, mein Freund«, sagte er zu O’Hara und zwinkerte spitzbübisch. »Eine Kleinigkeit, um Sie am Tisch willkommen zu heißen und das Spiel richtig zu beginnen – obwohl Sie diesmal das Pech hatten, Schwarz zu ziehen.«
O’Hara schaute interessiert auf und steckte den berühmt-berüchtigten St. Gaudens Double Eagle unauffällig in die eigene Tasche, bevor er die Hand ausstreckte und die Schachtel entgegennahm, die der Russe ihm anbot. Als er an der zu einer groben Schleife gebundenen Schnur zupfte, dachte er einmal mehr darüber nach, wie weit er es im Leben trotz eines entschieden holprigen Starts gebracht hatte.
Der Enkel irischer Einwanderer, die 1862 in die Vereinigten Staaten gekommen waren, hatte durch eine Reihe geschickter legaler und illegaler Manöver die bescheidenen Besitztümer seines Vaters seit dessen vorzeitigem Tod vor dreißig Jahren in eine der größten Immobilienfirmen im Land verwandelt. Und er hatte vor, den Tod seines Vaters drei Jahrzehnte nach seiner Ermordung demnächst zu rächen.
Edward J. O’Hara III hatte schon immer ein sehr langes Gedächtnis besessen.
Davon abgesehen hatte er es trotz seiner bescheidenen Anfänge sehr weit gebracht, egal, von welcher Seite man es betrachtete. Und er war noch lange nicht satt. So viel er auch an Macht und finanziellen Ressourcen besitzen mochte, er wusste, dass es noch reichlich Raum für mehr gab.
Was nicht weiter überraschend war. Er entstammte einer Linie von Vorfahren, die angesichts der verheerenden Großen Hungersnot in Irland vor mehr als anderthalb Jahrhunderten aus ihrer Heimat geflohen waren und auf der verzweifelten Suche nach einem besseren Leben in Amerika sämtliche Besitztümer und Angehörigen zurückgelassen hatten. Er wusste, dass es immer Raum für mehr gab.
Aber ob er nun zufrieden mit seiner derzeitigen Stellung war oder nicht, O’Hara hatte reichlich Grund, stolz auf seine lange und außergewöhnliche Karriere zu sein. Er hatte klein angefangen und sein Unternehmen geduldig erweitert, bis er schließlich zu einem der reichsten Männer der Vereinigten Staaten geworden war. Tatsächlich stand er – gemäß der aktuellsten Forbes-400-Liste der reichsten Amerikaner –
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