Sieh dich um: Thriller (German Edition)
inzwischen auf Rang dreihundertachtundfünfzig der reichsten Bürger des Landes. Nicht schlecht für einen ehemaligen Straßenschläger, der sich jeden einzelnen Nickel hatte erkämpfen müssen. Und mit seiner kürzlichen Akquisition von neun neuen, über ganz New York City verteilten Parkhäusern hatte er bereits Vorbereitungen getroffen, noch weiter aufzusteigen, wenn die nächste Forbes-Liste im Juni veröffentlicht wurde.
O’Hara war kein Milliardär wie Michalovic, doch er war nah genug dran, um sich bequem in denselben gesellschaftlichen Kreisen zu bewegen, ohne dabei Gefühle wie Eifersucht oder Neid zu verspüren. Es war genaugenommen das Beste beider Welten. Er konnte gefahrlos mit den Haien schwimmen, während er insgeheim seine eigene Stellung festigte. Die Milliardäre, mit denen er Umgang pflegte, fühlten sich aufgrund ihrer finanziellen Überlegenheit vollkommen sicher vor ihm und neigten dazu, ihm wenig bis keine Beachtung zu schenken. Er verkörperte bestenfalls eine minimale Bedrohung. Aber genau damit begingen sie den größten Fehler, einen Fehler, der letzten Endes zu ihrem Untergang führen würde. Eines Tages, das wusste O’Hara, würde es andersherum sein. Eines Tages würde er an der Spitze stehen, der große Weiße Hai unter all den Ammenhaien, der die Konkurrenz mit seinen unzähligen Reihen rasiermesserscharfer Zähne beherrschte. Wieso auch nicht? Soweit es O’Hara betraf, war es die einzige vernünftige Option, die einzige Möglichkeit, die Logik mit in die Gleichung einbezog. Denn in seiner Welt war der Zweitbeste immer nur der erste Verlierer.
So war es gewesen, seit die skrupellosen Geschäftspartner seines Vaters versucht hatten, den alten Mann um seinen rechtmäßigen Anteil an einem Baugrundstück in der Bronx zu bringen, das durch den magischen Prozess der Enteignung schließlich in einen Stadtpark verwandelt worden war. Bewaffnet mit Baseballschlägern und Fahrradketten und mit Hunger und Wut im Bauch waren der halbstarke Edward und ein paar seiner gleichgesinnten Freunde losgezogen und hatten jedem der Geschäftspartner von Edwards Vater einen nächtlichen Besuch abgestattet, um sie daran zu erinnern, dass sich die O’Hara-Familie nicht einfach so herumschubsen ließ. Es mochte nicht die romantischste Einführung in die Geschäftswelt der Geschichte gewesen sein, dennoch hatte O’Hara sie stets als sein Debüt in der Arena der Hochfinanz betrachtet, seinen ersten mutigen Sprung in das Becken der Finanzwelt, in dem es von blutrünstigen, räuberischen Haien nur so wimmelte, die nichts anderes im Sinn zu haben schienen, als jeden Tropfen seiner kostbaren Körperflüssigkeiten aus ihm herauszusaugen. Bisher war der einzige Unterschied, den O’Hara zwischen den Straßen und den Vorstandsräumen zu erkennen vermochte, die Tatsache, dass die beteiligten Männer teure, maßgeschneiderte Designeranzüge statt dreckiger Bluejeans trugen, während sie sich die Messer gegenseitig in den Rücken rammten.
Das braune Papier fiel ab und offenbarte eine aufklappbare Kassette mit kubanischen Cohiba-Behike-Zigarren – den seltensten und kostspieligsten Zigarren der Welt. O’Haras Augen weiteten sich vor aufrichtiger Wertschätzung. Als langjähriger Zigarrenliebhaber wusste er, dass die Behike eine extrem limitierte Edition darstellten – 2006 beispielsweise waren nur viertausend Stück davon hergestellt worden. Soweit er wusste, hatte noch nie jemand tatsächlich eine geraucht; die Leute zogen es vor, die kostspieligen Zigarren aufzuheben und ihren persönlichen Sammlungen einzuverleiben oder aber als Investition zu betrachten, die man zu einem späteren Zeitpunkt mit ziemlicher Sicherheit profitabel veräußern konnte.
Bei einem Preis von vierhundertvierzig Dollar das Stück wusste O’Hara auch, dass Michalovic mindestens das Zehnfache bezahlt haben musste, um sich auf dem lukrativen und äußerst verschlossenen Schwarzmarkt in Europa ein Kistchen zu sichern. Das Embargo der amerikanischen Regierung gegen Güter aus Kuba ließ keinen anderen Weg zu. Es war 1960 als direkte Reaktion auf die kommunistische Regierung Fidel Castros in Kraft getreten und untersagte sogar den bloßen Besitz der Zigarren in den Vereinigten Staaten.
Andererseits waren O’Hara und sein guter Freund Michalovic nie Menschen gewesen, denen Gesetzestreue besonderes Kopfzerbrechen bereitet hatte, wenn ein Gesetz in direktem Konflikt mit ihren finanziellen Interessen stand.
Natürlich nicht. In Amerika –
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