Sieh dich um: Thriller (German Edition)
und gründliche Übung bewahrt werden.«
Adolf Anderssen, deutscher Schachgroßmeister, der in den 1850er-Jahren als bester Spieler der Welt galt
12
Mittwoch, 16:22 Uhr
Dana und Brown verließen Grafx und stiegen in den Wagen, um den vermeintlich kurzen Weg zur Zentrale des NYPD an der Police Plaza in Lower Manhattan anzutreten.
Jacob Finklestein hatte Dana massiv Nerven gekostet, und sie wusste aus Erfahrung, dass sie nicht besonders scharfsinnig war, wenn sie sich ärgerte. Sie brauchte eine kurze Pause, um den Kopf wieder freizubekommen.
Doch statt der dringend notwendigen Verschnaufpause erwartete sie und Brown ein irritierender, stundenlanger Verkehrsstau auf dem Broadway wegen einer defekten Wasserleitung, was weiter an Danas ohnehin zum Zerreißen gespannten Nerven zehrte.
Nachdem sie letztlich – Gott sei Dank – durch die Hilfe eines verständnisvollen berittenen Verkehrspolizisten dem Stau entkommen waren, lenkte Dana den Ford Focus auf einen freien Parkplatz vor dem Hauptquartier der New Yorker Polizei, bevor sie den Parkgang einlegte und den Motor abschaltete.
Brown klappte sein Mobiltelefon zu und sah sie an. »Ich habe das Bild des Jungen an einen FBI-Zeichner geschickt, den ich aus meiner Zeit in Los Angeles kenne«, sagte er. »Ich dachte, es könnte nützlich sein, ein Porträt von ihm anfertigen zu lassen, wie er heute aussehen könnte«, fügte er hinzu. »Er meinte, er würde sich so schnell wie möglich an die Arbeit machen und sich melden, sobald er fertig ist.«
Dana nickte. Eine an das Alter angepasste Phantomzeichnung des Jungen war eine clevere Idee. Er musste inzwischen ein Teenager sein und hatte sich zweifellos verändert. »Gut gemacht«, lobte sie. »Sieben Jahre sind eine verdammt lange Zeit, besonders, wenn man noch ein Kind ist.« Sie verstummte und war froh darüber, dass Brown daran gedacht hatte, auch wenn sie es verabsäumt hatte. Sie waren ein gutes Team, zumindest in beruflicher Hinsicht. Das waren sie von Anfang an gewesen. »Und?«, fuhr sie fort. »Bist du jetzt bereit oder was?«
Brown zog die Augenbrauen hoch. »Sicher. So bereit, wie ich’s je sein werde. Machen wir uns wieder an die Arbeit.«
Sie stiegen aus und gingen zu dem hundert Meter entfernten Gebäude. Mit knapp achtunddreißigtausend Cops auf den Straßen des Sündenbabels New York stellte das NYPD die größte städtische Polizeibehörde in den gesamten Vereinigten Staaten dar, und das hatte durchaus seinen Sinn. Man musste nur den Fall des Schachbrett-Mörders betrachten – Hinweis genug auf die Tatsache, dass man Verbrechen in New York nicht mit Verbrechen an irgendeinem anderen Ort im Land vergleichen konnte. Die Verbrechen in New York waren brutaler, gemeiner, blutiger. Mehr noch, die Stadt galt allgemein als eine wahre Brutstätte von Serienmördern.
Wenig später betraten sie das Gebäude des Hauptquartiers und gingen zum Empfang. Danas kurze Absätze klapperten laut über den marmorgefliesten Boden, während gehetzt wirkende Beamte einen mit Handschellen gefesselten Gesetzesbrecher nach dem anderen durch die Halle führten.
Fünfzehn Meter zu ihrer Rechten warteten lange Schlangen von Angehörigen der Verhafteten, um Kaution zu hinterlegen und ihre Lieben von den silbernen Fesseln freizukaufen: So funktionierte das amerikanische Justizsystem, und jeder konnte dabei zusehen. Verhaftet, und gleich wieder auf freiem Fuß. Zumindest jene Übeltäter, die keine Gewaltverbrechen begangen hatten.
Den Beamten hinter dem Empfangsschalter flankierten mehrere Aktenstapel und zwei Telefone. Hinter ihm an der Wand hing ein großer Flachbildfernseher, auf dem leise CNN lief. Eine schluchzende Reporterin mit dicken schwarzen Mascarastreifen auf den Wangen mühte sich durch einen Bericht über die jüngste Massenschießerei in Arizona, bei der sechs Menschen gestorben und weitere dreizehn verletzt worden waren, einschließlich der Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords, die vorläufigen Berichten zufolge in einem Krankenhaus in Tucson auf der Intensivstation lag und deren Zustand kritisch war.
Dana schüttelte voll Abscheu den Kopf. Offensichtlich war New York City nicht die einzige Stadt in den Vereinigten Staaten, die bis zum Hals in Gewaltverbrechen versank. Jede Gegend, von Kleinstädten bis hin zu den Metropolen, hatte mit ihren eigenen mörderischen Kopfschmerzen zu kämpfen.
Der Beamte hinter dem Schalter war glatt rasiert und wirkte jugendlich. Er konnte nicht viel älter als
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