Sieh dich um: Thriller (German Edition)
von der Unterbrechung, und Dana gewann den entschiedenen Eindruck, dass Detective Mariel Rodriguez eine Frau war, die sich so schnell von nichts beirren ließ. »Ja und nein, Agent Whitestone«, antwortete Rodriguez. »Das könnten wir zwar tun, aber wir müssten dafür fast einen Kilometer weit zu dem Raum mit der speziellen Beleuchtung laufen, die ich gerade erwähnte. Vermutlich haben Sie es auf dem Weg hierher schon bemerkt – dieses Gebäude hat die Größe von fünf Fußballfeldern, vielleicht sogar mehr. Und weil Sie so in Eile sind, dachte ich, wir gehen gleich davon aus, dass wir es mit latenten Abdrücken zu tun haben. Außerdem, wenn es einen Abdruck auf dem Foto gibt, dann wird er auf jeden Fall in diesem Gerät sichtbar.«
»Klingt vernünftig«, meinte Brown.
Rodriguez fuhr fort: »Es gibt drei allgemeine Techniken, um latente Abdrücke für das bloße Auge sichtbar zu machen – physikalisch, chemisch und instrumentell. Die Cyanacrylat-Bedampfungsmethode ist eine chemische Technik. Und weil wir dazu dieses Gerät benutzen, zugleich eine instrumentelle.«
Dana seufzte. Das alles wusste sie bereits, aber sie hielt sich vor Augen, dass Rodriguez alles stehen und liegen gelassen hatte, um ihnen zu helfen. Allein dafür verdiente es Rodriguez, dass sie ihr zuhörten und sie respektvoll behandelten. Und wenn sie schon einen Vortrag bekamen, dachte Dana, dann konnte sie auch gleich die artige Studentin spielen und Rodriguez Honig ums Maul schmieren. Mit Honig fing man Fliegen. »Latente Abdrücke rühren vom Öl an den Fingern der Menschen her, richtig?«, fragte sie.
Rodriguez nickte, erfreut über die Gelegenheit, von ihrer Arbeit zu erzählen. »Genau«, bestätigte sie. »Im Grunde genommen entstehen alle Abdrücke auf diese Weise, Agent Whitestone. Aber ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Fingerabdrücke setzen sich aus mehreren verschiedenen Substanzen zusammen, die durch die Poren ausgeschieden werden. Sie bleiben praktisch auf jedem Gegenstand zurück, den wir berühren. Die Hauptkomponente von Fingerabdrücken ist gewöhnlicher Schweiß, aber da Schweiß größtenteils aus Wasser besteht, trocknet er nach relativ kurzer Zeit. Die anderen Bestandteile von Fingerabdrücken sind in der Regel feste Stoffe, die viel länger auf Oberflächen haften bleiben.«
»Was sind das für Stoffe?«, fragte Brown. Dana warf ihm einen Seitenblick zu. Anscheinend hatte sie gerade Konkurrenz im Kampf um den Rang des Lieblingsschülers bekommen.
»Hauptsächlich organische Verbindungen«, antwortete Rodriguez. »Aminosäuren, Glukose, Milchsäure, Peptide, Ammoniak, Riboflavin und dergleichen. Außerdem eine Reihe von anorganischen Verbindungen, darunter Kalium, Natrium, Kohlenstofftrioxid und Chlor.«
»Und wie lang dauert die chemische Technik?«, fragte Dana, um den Vortrag zu beschleunigen.
Rodriguez öffnete die Tür des Geräts und drückte ein paar Tropfen Cyanacrylat in eine kleine flache Schale, bevor sie die Tür wieder schloss und einen weiteren Knopf betätigte. »Überhaupt nicht lang«, sagte sie. »Jedenfalls nicht in diesem Fall. Das Konzept hinter der chemischen Technik ist ganz einfach: Mit einer Substanz – in diesem Fall Sekundenkleber –, die mit den chemischen Rückständen von Fingerabdrücken reagiert, erhält man eine neue chemische Verbindung, und diese Verbindung ist eine haftende weiße Substanz, durch die Abdrücke sichtbar werden. Dann sollten wir in der Lage sein, etwaig vorhandene Abdrücke zu fotografieren. Aber um eine solche chemische Reaktion überhaupt zu ermöglichen, müssen wir den Sekundenkleber in Gasform verwandeln. Genau das macht mein Baby hier.«
»Wie geht das?«, wollte Brown wissen und ging damit beim Speichellecken in Führung. Dana seufzte erneut. Die Zeit arbeitete gegen sie, allerdings durfte man bei derartigen Ermittlungen niemals das menschliche Element unterschätzen. Wie bei jedem anderen Job musste man nett zu den Leuten sein, mit denen man zusammenarbeitete, wenn man wollte, dass sie ihr Bestes für einen gaben.
Rodriguez streckte den langen Hals. »In diesem Gerät befindet sich ein kleiner Heizer, Agent Brown«, erklärte sie. »Wenn das Cyanacrylat den Siedepunkt erreicht – in der Regel zwischen neunundvierzig und fünfundsechzig Grad Celsius – beginnt es, in die umgebende Atmosphäre zu verdampfen. Dadurch werden die Fingerabdrücke schließlich sichtbar.«
»Das heißt, der Vorgang läuft bereits?«, hakte Brown nach. Zum Glück
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