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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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gehört?« fragte ich. Ich schenkte mir viel Gin und wenig Tonic ein und bemühte mich, mit der Flasche nicht allzu laut am Glas zu klirren. Normalerweise nahm ich Scotch gegen Schock, aber meine Vorräte mußten erst wieder erneuert werden.
    »Charlie hat es mir erzählt.«
    »Dann wußtest du es also nicht?«
    Pal schüttelte den Kopf. »Charlie meint, ich sollte noch bleiben, aber ich bin nicht so sicher.«
    »Charlie — und Debbie — glauben, daß du die Drams hast.«
    Er lachte.
    »Daß du bloß noch abwartest, bis sich die Lage beruhigt hat, und dann verschwindest.«
    »Sano hatte sie, das steht fest. Und der, der ihn umgebracht hat, der hat sie jetzt.«
    »Für mich hörte sich das nicht an wie ein Mord, der bei einem Raub passiert. Es hörte sich an wie eine Strafe. Du weißt schon, pour encourager les autres.«
    »Deshalb habe ich die hier.« Er hob die Pistole. Die offenkundige Wahrheit, daß eine Pistole mit Schalldämpfer nicht unbedingt in erster Linie zur Selbstverteidigung gedacht ist, bot mir keinen Trost, und dies war nicht der Augenblick, ihm zu widersprechen. Meine Hände zitterten immer noch, aber es ging schon, ich konnte sprechen.
    »Du bist Charlie hierher gefolgt, nicht war? Aus Las Vegas.« Pal hockte sich auf die Sofalehne. Er kreuzte die Beine und verschränkte die behaarten Arme. Die Pistole war wieder in der Tasche verschwunden.
    »Nein. Ich bin dir gefolgt, Mama.«
    »Lügner.«
    Er zuckte die Achseln und grinste wieder; dauernd fand er alles komisch.
    »Glaubst du, dein Mann hat es getan? Der Japaner? Der harte Bursche? Glaubst du, er hat die Drams jetzt?«
    Damit war der Einsatz erhöht. Pal war Shinichro erst einmal begegnet, aber er hatte es ausgesprochen. Ich hatte nicht gewollt, daß jemand es aussprach. Ich hatte es noch nicht ausgesprochen, nicht mal im stillen. Ich hatte es mir überlegt, und ich hatte den Kopf geschüttelt. Trotz allem — so etwas konnte er nicht tun. Aber sicher war ich nicht. Ich hatte Shinichro belogen, was das Baby anging, und behauptet, es sei weg, aber das war nur eine kleine Zugabe gewesen; es war die Tatsache, daß Sano ihn womöglich beklaute, ihn und seinen On- Mann, was sein Herz verhärtet haben dürfte. Ich versuchte, ihn mir vorzustellen, wie ich ihn kannte, wie das Foto auf seiner Visitenkarte, glücklich lächelnd, ein schwer arbeitender Sarariman. Ich stellte ihn mir vor, wie er mit mir schlief, wie feuchte, halbgeschlossene Augen im Zwielicht auf mich herabschauten und goldene Hände meine blasse Haut streichelten. Ich sah den Mann, der mir kleine Geschenke gebracht hatte, Obst in prächtigen Körben, und wie er sich für die Nichtswürdigkeit seines Geschenks entschuldigt hatte. Er konnte es nicht gewesen sein; der Mann, der mich gelebt hatte, konnte es nicht gewesen sein, und nicht einmal der Mann, der mich geohrfeigt, der Pal zu Boden geworfen und der ein Glas an der Wand zerschmettert hatte. Wer immer Sano umgebracht hatte, war nicht warmherzig oder verdrossen oder wütend gewesen; er war kalt genug gewesen, um Sano darauf warten zu lassen.
    »Wieso sollte er sie haben — oder haben wollen?« fragte ich.
    Pal zuckte die Achseln.
    »Komm, laß uns ausgehen. Was willst du — was essen? Was trinken? Ich weiß, du willst essen. Wir gehen essen.«
    Er grinste natürlich, aber meine Frage beantwortete er nicht. Er würde mir nicht verraten, wie er die Verbindung zwischen Sano und Shinichro hergestellt hatte. Er würde mich warten lassen. Ich hatte Angst, und, wie Esther gesagt hätte, die Furcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit.
    »Ich will mit dir nichts zu tun haben.«
    »Oh, Mama, du weißt, daß das nicht stimmt.«
    »Nenn mich nicht Mama.«
    »Nicht?«
    »Ich bin nicht deine Mama.«
    »Aber jemandes Mama wirst du doch, oder?«
    »Nein. Vorerst nicht.«
    Er stand auf und faßte mein Kinn, und sanft hob er mein Gesicht und schaute mich an.
    »Nicht? Neulich nachts? Sano?«
    »Es hat nicht sollen sein. Keine große Sache.«
    Er schaute mich weiter an, schaute mir in die Augen, aber ich hielt seinem Blick stand, bis er mein Kinn losließ und sagte: »Gehen wir, eh? Ich will was essen.«
     
    Der Abfallgeruch aus dem Müllschlucker hing im Treppenhaus, und die Blechkabine des Aufzugs stank nach abgestandenem Urin mit einem Hauch von Desinfektionsmittel. Jemand hatte die mattschimmernden Wände mit schnellen, eckigen Farbstrichen besprüht. Die Eigenwerbung lautete »Ziggy«, eine knallbunte Signatur, so groß, daß die zotigen

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