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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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das Gewimmel von Soho war dünner an diesem Ende der Straße; der Taxifahrer hatte sich geschickt durch den Verkehr gedrängt und hielt jetzt vor dem Eingang an. Es war ein schlichtes Gebäude neben einer Stoffhandlung und einer neuen Boutique, in der Ledermützen und Westen an Leute verkauft wurden, die sich über den Tisch ziehen ließen. Die Lichter in dem betriebsamen kleinen Restaurant waren ziemlich hell, und die Inneneinrichtung war so schlicht wie die äußere Fassade. Es gab keinerlei Versuch, im Londoner West End eine nachgemachte »Floating World« zu errichten, keinerlei Rituale, bei denen man sich die Schuhe ausziehen und sich zu den Klängen asiatischer Musik an niedrigen Tischen auf den Fußboden setzen mußte. Ebensowenig gab es den Versuch des abendländischen Raffinements mittels einer nierenförmigen Chrom- und Vinyl-Bar, an der es Aperitifs und gesalzene Nüßchen gab, während man auf seinen Tisch wartete. Der viereckige Raum war mit geschrubbten weißgedeckten Holztischen und Rohrstühlen oder einfachen Holzbänken möbliert. Die Gäste waren überwiegend Japaner, aber es gab auch einen oder zwei Tische mit Europäern, wahrscheinlich die, die in den Reiseführern als »Theatergänger« bezeichnet werden, aber wenn sie noch gehen wollten, würden sie zu spät kommen. Mitten im Raum saß Shinichro allein an einem Zweiertisch und trank dampfende Suppe aus einer kegelförmigen Schale. Er hob den Kopf, nachdem die winzige Kellnerin, schick mit weißer Bluse und schwarzem Rock bekleidet, uns begrüßt hatte. Wenn er überrascht war, mich zu sehen, ließ er es sich nicht anmerken. Pal legte mir mit großem Getue den Arm um die Schulter, als wir in der Tür standen, und als ein dritter Stuhl gebracht wurde, sorgte er dafür, daß ich neben ihn zu sitzen kam, gegenüber von Shinichro, mit dem Tischbein zwischen meinen Beinen. Ich sagte kein Wort, nicht mal »hallo«.
    Hier aß Shinichro zu Mittag. Auf der plastiküberzogenen Speisekarte stand ein Menü für vierzehn Pfund fünfzig. Nicht schlecht. Vermutlich war es für ihn das nächstgelegene Lokal, das in Frage kam. Er betupfte sich die dunklen Lippen mit der Serviette, schaute zur Kellnerin hinüber und sagte etwas auf Japanisch; sofort kam sie herübergeeilt.
    »Möchten Sie bestellen?«
    Sie benahm sich reizend und höflich. Ich war hungrig gewesen, aber wie konnte ich jetzt essen? Ich wollte so eine Pizza im Aluteller, mit allem drauf, zum Mitnehmen, wie man so sagt, und ich wollte sie mit dem honiggelben Chardonnay herunterspülen. Der Gedanke daran erschien mir unvergleichlich appetitlich und reizvoll, als ich jetzt in Gesellschaft dieser beiden Kampfhähne mit ihren verborgenen Spornen saß.
    »Ich überlasse unserem Gastgeber die Bestellung«, sagte ich und reichte Shinichro die Speisekarte.
    »Gute Idee«, sagte Pal.
    Ich bekam Teriyake-Lachs mit blütenförmigen Karotten und Gurkenstreifen, aber Pal kriegte etwas zweifelhaft Fettiges, das in zuviel Flüssigkeit ertrank. Ich bemerkte, daß Shinichro darauf verzichtete, wie üblich höflich und detailliert zu erläutern, was wir aßen; in Pals Fall wollte ich es aber auch gar nicht unbedingt wissen. Bei den wenigen Gelegenheiten, wo ich mit Shinichro im Restaurant gegessen hatte, war er stets von makelloser Höflichkeit gewesen, aber das gleiche erwartete er auch für sich. Ich hatte mir geschworen, nie wieder mit ihm in ein französisches Restaurant zu gehen, nachdem er sich vom Kellner den Inhalt, die Zubereitungsmethode und die jüngere Geschichte sämtlicher Zutaten jedes Gerichts in allen Einzelheiten hatte vortragen lassen. An diesem Abend in der Brewer Street aßen wir, ohne daß irgend jemand ein Wort sagte, obwohl ich mich versucht fühlte, zu schreien. Ich fühlte mich versucht, eine Flasche warmen Saki und ein einziges Glas zu bestellen und die beiden ihren Kram machen zu lassen, während ich in barmherziger Bewußtlosigkeit unter dem Tisch ins Aus rutschte. Shinichro kam mir zuvor, indem er sich ein letztes Mal den Mund abtupfte und die Kellnerin rief, damit sie die halbgeleerten Teller vom Tisch räumte. Als nach kurzem, effizientem Hantieren wieder eine weiße, glatte Tischdecke vor uns lag, nahm Shinichro eine grün-goldene Harrods-Plastiktüte hoch und ließ zwei der vertrauten Chipbehälter herausgleiten.
    »Darf ich die Tüte haben?« Pal nahm sie und die Schachteln und zog alles auf seine Seite des Tisches herüber. Er hielt erst die eine, dann die andere Wafer ans Licht und

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