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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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gerade anrufen wollte, kam Alissa zurück, und er unterhielt sich ein bisschen mit ihr und zeigte ihr schließlich, was Marian geschrieben hatte. Alissa starrte mit hoffnungslos traurigen Augen auf die zittrigen, kaum richtig ausgeschriebenen Buchstaben, und als sie schließlich den Kopf schüttelte, war sie den Tränen nahe. «Tut mir leid. Es tut mir leid. Ich weiß niemanden, dessen Vor- oder Nachname mit ENG anfängt. Dabei kenne ich alle ihre Freunde und Kollegen. Aber Sie wissen ja, wie viel Betrieb immer im Diner und in der Bar ist. Vielleicht war es irgendein Kunde, den sie nie erwähnt hat.»
    «Vielleicht. Wir überprüfen das gerade.»
    Wie bei allen Menschen auf dieser Welt wanderte auch Alissas Blick zu dem Fernseher, der in einer Ecke des Wartezimmers lief. Egal, ob man sich in einer Sportkneipe befand, am Flughafen oder eben im Krankenhaus: Die Pixel waren die großen Hypnosekünstler unserer Tage, und wenn irgendwo ein Bildschirm hing, dauerte es nicht lange, bis er alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Frost ging es persönlich ziemlich auf die Nerven, dass man den verdammten Dingern nirgendwo entkommen konnte. Einmal war er nach Europa gereist, und als er am Flughafen aus dem Taxi stieg, standen dort rund tausend Leute mit ihren Koffern in der Hand vor dem Terminal und starrten auf eine Leinwand von der Größe eines Autokinos. Sie zeigte nicht einmal etwas Interessantes, nur das Video irgendeiner Rockband, deren Musik sich anhörte wie ein endlos in die Länge gezogener Auffahrunfall – und doch waren alle wie hypnotisiert von den Bildern. Die Menschen standen einfach reglos vor dem Ding, keiner sagte etwas, keiner trat in Kontakt zu den anderen, keiner nahm mehr wahr, was um ihn herum geschah. Das hatte Frost richtig Angst gemacht. Es erinnerte ihn an Jahr 2022 und ähnliche Science-Fiction-Filme, in denen die Menschen ein seltsames Zombie-Dasein führten, als hätte ihnen jemand das Gehirn herausgesaugt.
    Doch im Wartezimmer einer Intensivstation war es ja nicht einmal das Schlechteste, nicht denken zu müssen, sich eine kurze Erholungspause von schlimmen Gedanken und Ängsten zu gönnen, damit man nicht endgültig durchdrehte. Alissas Miene war fast ausdruckslos, und näher würde sie der Glückseligkeit in nächster Zeit kaum kommen.
    Dann entfuhr ihr ein leises Keuchen, und Frost schaute ebenfalls zum Fernseher. Dort wurde gerade eine dieser unspezifischen Phantomzeichnungen eingeblendet, bei denen man früher oder später immer glaubte, den Betreffenden zu kennen.
    «Was ist denn?»
    «Ach, nichts. Der Mann da sieht nur ein bisschen aus wie ein alter Lehrer von mir.»
    «Wie sehr denn genau?»
    Sie sah ihn mit einem verlegenen Lächeln an. «Eigentlich nicht besonders. Nur irgendwas um den Mund.»
    Frost legte den Kopf schief und betrachtete den Mann auf dem Bild. «Für mich sieht der aus wie Owen Wilson.»
    «Ich setze mich jetzt wieder ein bisschen zu Mom ins Zimmer, ja?»
    Frost gab keine Antwort, denn plötzlich war auch er einer jener Zombies vor dem Fernseher und atmete wie ein Volltrottel durch den offenen Mund, während er den Text las, der jetzt unter der Zeichnung eingeblendet wurde und den Mann als den Angreifer der Kellnerin aus Wisconsin identifizierte. Davon hatte Theo doch eben erzählt. «Alissa?»
    «Ja?»
    «Wie hieß denn dieser Lehrer?»
    «Mr   Huttinger.»
    «Und mit Vornamen?»
    Alissa spitzte den Mund und versuchte, sich zu erinnern. «Cliff, glaube ich … oder nein, Clinton. Ja, so hat er geheißen. Clinton Huttinger.»
    Frost verbarg seine Enttäuschung. Warum hatte der Kerl denn nicht beispielsweise Engelbert Huttinger heißen können? «Aha.»
    «Er war der beste Englischlehrer, den ich je hatte. Echt ein Supertyp.»
    Als sie wieder zu ihrer Mutter gegangen war, versuchte Chief Frost sich daran zu hindern, vorschnelle Schlüsse zu ziehen, weil er so verzweifelt nach Antworten suchte. Und trotzdem sah er immer nur seine Highschool-Zeugnisse vor sich, auf denen die Fächer mit drei Buchstaben abgekürzt waren, weil der Platz nicht reichte.
    Ein paar Minuten später hatte er Theo wieder an der Strippe. «Schießen Sie los, Chief.»
    «ENG ist möglicherweise eine Abkürzung für Englisch.»
    «Sie meinen, der Kerl ist Brite?»
    «Hören Sie mir einfach nur zu, Theo. Und wiederholen Sie nichts von dem, was ich sage. Ich will nicht, dass irgendwer auf dem Revier oder sonstwo Wind von der Sache kriegt, weil das alles nur Vermutungen sind, nichts weiter. Ich will auf

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