Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
an, seinen Cousin anzurufen, der »sich gut mit Autos auskennt« und den Schaden schnell beheben würde. Wir bekamen ein Ersatzfahrzeug angeboten – wahrscheinlich das, das wir angefahren hatten -, während unseres von der Straße genommen wurde.
Daniela, die jahrelange Erfahrung mit italienischen Versicherungsgesellschaften hat, war an dem Angebot sehr interessiert, ich dagegen weniger. Als begeisterter Anhänger gesetzeskonformer Wege dankte ich dem Mann für seinen großzügigen Vorschlag und befahl Daniela, seine Personalien aufzunehmen. Dann nahm ich ihren Arm und führte sie zurück zum Wagen. Dass sie das Angebot ernsthaft in Erwägung zog, bedeutete, dass sie eine ernste Gehirnerschütterung davongetragen haben musste.
Das Ergebnis meiner Arroganz waren Monate voller Anrufe und Faxe, und zwar zusätzlich zu dem Papierkram für meine Aufenthaltsgenehmigung, um die wir damals immer noch kämpften. Und das alles nur, um ein selbstverständliches Recht einzufordern! Die Versicherungsgesellschaft zahlte erst vier Monate später, nachdem Daniela ihren Anwalt eingeschaltet hatte. Hätte der nervöse Australier die Sache nicht so verkompliziert, hätten Daniela und der Cousin das Problem innerhalb weniger Tage aus der Welt geschafft.
Mein zweiter Unfall passierte auf der Straße von Mailand zum Comer See, als ein Zementlaster die Spur wechselte, ohne zu blinken und unseren rechten Vorderreifen sowie die Stoßstange darüber zerstörte. Da er ein ebenso guter Samariter wie Autofahrer war, beschloss der Lastwagenfahrer nicht anzuhalten. Also fuhren wir mühsam von der Autobahn ab und fanden einen Mechaniker, der den Reifen ersetzte und die Stoßstange mit einem Hammer ausbeulte.
Trotz einer Garage voller Autos ließ der Mechaniker alles stehen und liegen, um uns zu helfen. »Was für ein Arsch«, sagte er über den Lastwagenfahrer, während er unseren armen Lancia verarztete. Er arbeitete mehr als vierzig Minuten an unserem Auto und weigerte sich, Geld dafür zu nehmen. Das Einzige, was er akzeptierte, waren die Pralinen, die wir im Handschuhfach hatten. Und da soll noch mal einer sagen, die Italiener seien alle gleich! An dem Nachmittag, an dem unser Wagen von einem »Arsch« demoliert worden war, hatte es ein Engel zum Preis von ein paar Pralinen auch schon wieder repariert.
Weil der Lastwagenfahrer nicht angehalten hatte, konnten wir uns keine bessere Reparatur leisten, ohne Unsummen dafür zu bezahlen. Das war echt unfair, doch ein Tankwart in Mailand bot uns bald darauf an, Abhilfe zu schaffen. Während des Tankens bemerkte er die notwendigen Reparaturen und sagte, sein Bruder sei Lastwagenfahrer und habe eine Versicherung, die es ihm erlaube, so viele Unfälle zu bauen, wie er wolle, ohne die Gebühr zu erhöhen – wirklich ein unglaublicher Sicherheitsanreiz. Keine Ahnung, ob er Gefallen an Daniela gefunden oder einfach nur etwas gegen Ungerechtigkeiten hatte (wahrscheinlich eher Ersteres), auf jeden Fall sagte er, sein Bruder würde bereitwillig erklären, sein Laster habe den Schaden verursacht, sodass seine Versicherung für den Schaden aufkommen würde.
»Dann nur zu«, sagte Daniela, die erhebliche Einsparmöglichkeiten witterte. Bloß weg hier, dachte ich und witterte eine Situation, die mir gefährlicher erschien als der Unfall selbst. Daniela notierte sich die Telefonnummer des Mannes und hätte ihn bestimmt auch angerufen, wenn ich nicht wieder auf der offiziellen Vorgehensweise bestanden hätte. Ich versuchte immer noch, ein schmutziges Spiel nach sauberen Regeln zu spielen, bei dem ich selbstverständlich verlor. Ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass die Ungerührtheit, mit der sich Italiener über Versicherungsbetrug unterhalten, nur eine Folge der unzähligen Male ist, wo sie selbst darunter zu leiden hatten. Ja, die Autofahrer werden sogar regelrecht zum Betrug an den Versicherungsgesellschaften gezwungen! Versicherungsgesellschaften, die die Autofahrer laut einem Ombudsmann bereits seit Jahren betrügen, indem sie Preisabsprachen treffen, gemeinsam die Prämien erhöhen, auf diese Weise keinen Wettbewerb zulassen und sich gegenseitig reicher machen.
Mit meinem Auto wurden auch alle meine Prinzipien zerstört, als ich eines Morgens die Wohnung verließ, um ein kaputtes Rücklicht, eine verbeulte Stoßstange und einen offenen Kofferraum vorzufinden. Ein ungeschickter Autofahrer, wahrscheinlich einer der wenigen, der in Italien zu Recht einen Blindenausweis besitzt, hatte das stehende
Weitere Kostenlose Bücher