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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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Hindernis mitgenommen und wieder einmal Fahrerflucht begangen.
    Genug! Jetzt wurde es höchste Zeit, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, weshalb ich sofort mit » Si « antwortete, als uns ein geschäftstüchtiger Spengler vorschlug, wie wir den Schaden kostenlos beheben könnten. Er würde einen Unfall mit dem Auto eines anderen Kunden erfinden, dem ähnliches Unrecht geschehen war, und auf ein rotes Auto mit einem Schaden auf der rechten Seite wartete. Unser Lancia passte perfekt auf diese Beschreibung: Er war rot und auf der rechten Seite beschädigt. Ehrlich gesagt war er überall beschädigt.
    Anfangs konnte ich mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, ein Problem dadurch zu lösen, dass man gegen das Gesetz verstößt – etwas, das die meisten italienischen Unfälle überhaupt erst verursacht. Aber dann begriff ich, dass sich im Ausland einleben auch bedeutet, sich den dort herrschenden Gesetzen anzupassen, und seien sie auch noch so ungeschrieben. Ich lernte, dass es einen Unterschied zwischen einer guten und einer richtigen Entscheidung gibt. Zu überleben war wichtiger als alle Skrupel, und ich hatte wirklich keine Lust, ein Magengeschwür als Souvenir mit in meine Heimat zu nehmen. Ich war ein Jahr gegen den Strom geschwommen und hatte mich abgestrampelt, ohne je irgendwo anzukommen. Jetzt war es an der Zeit, sich treiben zu lassen. Meinen Gesetzesverstoß rechtfertigte ich mit Vergeltung, jener uralten italienischen Entschuldigung für Unrecht, das begangen wird, um erlittenes Unrecht zu sühnen. Die Versicherungsgesellschaft hatte uns übers Ohr gehauen, also hauten wir sie auch übers Ohr. Es war wie ein Spiel – eines von vielen in ähnlich gelagerten Situationen.
    Als uns der Spengler seinen Plan im Detail schilderte, musste ich nicht mehr groß überzeugt werden. Für Tausende von gesparten Euros an Reparaturkosten würde ich nur einmal meinen Stolz hinunterschlucken und dem Spengler für seine Mühe vielleicht noch eine Flasche Scotch spendieren müssen. Aber nachdem wir die Unfalldetails einschließlich des Unfalldiagramms ausgearbeitet hatten, tauchte ein unerwartetes Hindernis auf: Daniela. Die Zeichnung war sogar für eine geborene Intrigantin wie sie zu weit hergeholt. Wir hatten anscheinend beide unsere Einstellung geändert.
    Im Laufe eines Jahres hatten Daniela und ich nicht nur gelernt, miteinander zu leben, sondern auch die Rollen getauscht. Am Anfang hatten wir noch gestritten, weil sie allzu bereit war, das Gesetz zu ihren Gunsten auszulegen. Jetzt stritten wir, weil ich allzu sehr dazu bereit war. Meine Vorsicht hatte vor ihrer Durchtriebenheit kapituliert und ihre Durchtriebenheit vor meiner Vorsicht. Und diese Kehrtwendung betraf nicht nur das Gesetz. Ich wollte mittlerweile etwas Warmes zu Mittag essen, während sich Daniela mit einem Sandwich zufriedengab. Der Müll auf den Straßen störte sie mehr als mich, und nachdem ich sie monatelang ermahnt hatte, sich anzuschnallen, musste sie mich mittlerweile daran erinnern.
    Nachdem wir uns eine Weile hitzig beraten hatten, baten wir den Spengler, mit seinen Reparaturen fortzufahren, aber sich von uns und nicht von der Versicherungsgesellschaft bezahlen zu lassen. »Auch gut«, entgegnete er. »Nicht weil die irgendwas gemerkt hätten, sondern weil ein Angestellter Ihrer Versicherung das letzte Mal das Geld für sich selbst eingestrichen hat.« Das hätte fast gereicht, um Danielas Meinung zu ändern, aber nur fast.
     
    Wenn ich das Auto selbst hätte reparieren können, wäre ich endgültig in den Kreis der Einheimischen aufgenommen worden. Aber da ich Fahrräder reparierte, wurde ich wieder zum Ausländer. Die quietschenden Antiquitäten waren unsere einzigen Fortbewegungsmittel, als der Wagen in der Werkstatt war, und mussten nach einem Jahr in Danielas Keller ebenfalls repariert werden.
    Daniela rief einen Mann an, den sie » compare « nannte – ein liebevoller Begriff, der so etwas Ähnliches wie Patenonkel bedeutet und für einen Mann reserviert war, der ihrer Familie sehr nahestand. Daniela besaß viele compari in Andrano, einschließlich Signor Api, der sich Francos Schwester zur Patin seines Sohnes auserkoren hatte. Warum das bedeutete, dass Daniela ihn Pate nennen sollte, war mir allerdings ein Rätsel. Aber so langsam wurde mir klar, warum sie jeden zweiten älteren Herrn im Dorf compare und jede zweite ältere Dame comare nannte: Jeder braucht eine Art Titel.
    Dieser spezielle compare , ein buckliger Herr mit

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