Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
zeigte auf die vorbeifahrenden Wagen, von denen die meisten das Licht anhatten. »Wollen Sie die auch alle mit Bußgeld belegen?«
»Chris, basta «, flehte mich Daniela an. » Stai calmo .«
Aber ich war wie ein Schneeball, der stetig an Masse und Schwung zulegt.
»Was für ein hinterwäldlerisches System! Eine Million Gesetze, aber niemand teilt der Polizei mit, für was sie eigentlich gut sind.«
»Und in Australien ist natürlich alles besser, nehme ich an?«, sagte der Mann mit dem Riesenlolli, der meinem Führerschein, den er mir bestimmt gleich wegnehmen würde, soeben meine Nationalität entnommen hatte.
»Zumindest brauchen wir kein verwirrendes Gesetz, das uns sagt, auf welchen Straßen wir die Scheinwerfer anmachen müssen.«
»Und wer sagt Ihnen dann, dass Sie sie eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang anmachen müssen?«
»Der gesunde Menschenverstand.«
Die beiden wirkten irritiert.
»Und wenn es neblig und die Sicht schlecht ist?«, fragte der mit der Maschinenpistole. »Da braucht man doch ein Gesetz, das den Autofahrern sagt, dass sie ihr Licht anmachen müssen!«
»Nein, da braucht man Autofahrer, die ihr Licht anmachen, weil ihnen der gesunde Menschenverstand sagt, dass sie sonst nichts sehen.«
Daniela stand mittlerweile neben mir, da sich die Situation nicht weiter verschärfte.
»In Italien gibt es keinen gesunden Menschenverstand«, sagte der Gedrungene, nahm seine Mütze ab und klemmte sie sich unter den Arm, so als sei er nicht mehr im Dienst. »Wenn Sie die Entschuldigungen hören würden, warum sich manche Leute nicht anschnallen – Sie würden mir zustimmen.«
»Das glaube ich Ihnen gern.«
»Heute Morgen erzählte mir ein Mann, er sei allergisch darauf und er bekäme vom Gurt Ausschlag an der Schulter. Es war mir direkt peinlich, ihm zu sagen, dann solle er sich eben ein T-Shirt anziehen.« Er warf die Arme hoch. »Wer bin ich denn? Ein Arzt?«
Sein Kumpel pflichtete ihm bei.
»Die verbreitetste Ausrede für das Fahren ohne Helm ist, dass es die Frisur ruiniert. Was sollen wir mit solchen Leuten nur tun?«
»Brummen Sie doch denen ein Bußgeld auf und nicht mir.«
Daniela unterdrückte ein Lachen.
Die Situation hatte sich wieder entspannt. Jetzt war ich nicht mehr derjenige, der sich beschwerte, ja besser noch: Mein übergriffiges Benehmen schien völlig in Vergessenheit geraten zu sein. Das komische Paar in seiner lächerlichen Uniform tat mir fast schon leid: gestreifte Hose, kniehohe Stiefel und Mützen, die viel zu klein für ihre Köpfe waren. Vielleicht verdienen einige carabinieri eher Mitleid statt Verachtung. Nur weil sie Idioten verwarnen müssen, werden sie selbst zu Idioten.
»Sie können gut predigen«, sagte der Dickere von den beiden und steckte den Riesenlolli in seinen Stiefel. »Sind Sie hergekommen, um Priester zu werden?«
Ich legte meinen Arm um Daniela.
»Bei so einer schönen Frau? Das ginge wirklich nur in Italien.«
Die Beamten lachten, und Daniela lehnte sich aufatmend gegen die Motorhaube.
»Waren Sie schon mal in Australien?«, fragte sie der Dünne. Sein Ziegenbärtchen war perfekt gepflegt.
» Si «, erwiderte sie. »Ein paar Mal sogar.«
»Und ist es dort so, wie Ihr Freund sagt?«
»Es ist anders«, meinte Daniela und wählte ihre Worte sorgfältiger als ich. »So ein Chaos wie hier gibt es dort nicht. Mein Freund ist wütend, weil wir hier zwar mehr Gesetze haben, aber uns benehmen, als gebe es keine. Und genau das macht unsere Straßen so gefährlich.«
»Das hier ist noch gar nichts«, sagte der Dicke. »War er schon mal in Neapel? È anarchia totale! «
»Warum bleiben Sie hier, wenn Sie nach Australien gehen können?«, fragte der Dünne und putzte sich die Pilotenbrille an seinem Hemd ab.
»Ich würde liebend gern nach Australien gehen«, unterbrach ihn der Dicke.
»Ich auch«, meinte der Dünne und wandte sich wieder an mich. »Wie sind die Frauen dort?«, erkundigte er sich, bevor ihm Daniela wieder einfiel und er sich entschuldigte.
»Wie ist das Essen?«, hakte der Dicke nach. Eines nach dem anderen. Ein Auto nach dem anderen fuhr an uns vorbei, in den meisten saßen Freunde. Sie hupten, als sie uns sahen, bereits ihr zweiter Gesetzesverstoß, wenn man das mit den Scheinwerfern auch noch mitzählt. Wir winkten, während wir zwei Polizisten Fragen über Australien beantworteten, die jene Gesetzesbrecher, die dem Blau von La Botte entgegenstrebten, vollkommen ignorierten.
Gibt es ein anderes Land auf der Welt, wo
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