Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Wie befürchtet, schnitt der Sadist den Verband nicht etwa auf, sondern riss ihn ihr abrupt ab. »Wie ein Bikini-Waxing«, sagte er, als Freccia aufjaulte. Dann zog er die Fäden und inspizierte die Wunde, bevor Freccia und ich genauso schnell aus seinem kleinen Horrorladen verschwanden, wie es der Terrier in der Woche davor getan hatte – eine Warnung, die ich leider nicht beherzigt hatte.
Als Belohnung dafür, Mussolini überlebt zu haben, kauften wir Freccia eine Hundehütte. Dabei wurden wir auf traurige Weise daran erinnert, wie viel wir für einen Hund taten, aber wie wenig wir für die anderen tun konnten. Die Hütten standen vor der Tierhandlung von Tricase auf dem Bürgersteig. Die Verkäuferin trat gegen jede, an der wir Interesse zeigten, woraufhin ein Streuner zum Vorschein kam. Beinahe jede Hütte war bereits bewohnt, also nahmen wir die einzige, die noch frei war, in der Hoffnung, die Hausbesetzer nicht um ihr Dach über dem Kopf zu bringen.
Freccia liebte ihr neues Zuhause, in dem sie nur tagsüber wohnte, denn nachts hielt sie ihrem Rudel die Treue, das nach wie vor am Tor vorbeikam. So sah ihr Alltag aus, bis ich etwa einen Monat nach ihrer Operation sah, dass ihr Napf voll und ihre Hütte leer war. Zwei Tage vergingen, ohne dass sich die Hündin zeigte, und erst in diesem Moment wurde mir klar, wie sehr ich an ihr hing. Ihr Rudel war ebenfalls verschwunden, und ich befürchtete schon, von den Verlassenen verlassen worden zu sein.
Am dritten Morgen nach Freccias Verschwinden schrieb ich gerade etwas im Arbeitszimmer, als ich das unnachahmliche Geräusch hörte, wie sie sich durchs Tor quetschte, und eilte nach draußen, um sie völlig erschöpft in ihrer Hütte vorzufinden. Ihr Brustkorb hob und senkte sich rasch, und ihre Pfoten bluteten. Sie schlief zwei Tage lang, und erst, als sie wieder hervorkam und ich sie nach Zecken absuchte, entdeckte ich eine Tätowierung in ihrem Ohr.
Ein Ausflug zur polizia municipale bestätigte Danielas Verdacht, dass der Hundefänger von Corsano, einem Ort hinter Tricase, seine Nachsommerrunde gedreht hatte, um die Straßen vom diesjährigen Müll an Vierbeinern zu säubern, der im Juni weggeworfen und im Oktober eingesammelt wurde. Die Anzahl der in Andrano aufgegriffenen Hunde entsprach den Mitgliedern ihres Rudels, darunter auch ein Teilzeitmitglied. Ein so zarter Hund schafft es nur, aus dem Zwinger zu fliehen und fünfzehn Kilometer in unwegsamem Gelände zurückzulegen, wenn er etwas hat, wofür es sich zu leben lohnt. Freccia wusste, dass sie mich hatte und dass ich auf sie warten würde wie ein besorgter Vater.
Ich war entzückt, sie wiederzusehen, und kaufte ihr ein Halsband, damit sie nicht noch einmal aufgegriffen wurde. Sie trug es mit Stolz, so als bestätige es ihre Adoption. Und das tat es wahrscheinlich auch. Die zärtliche Flohfängerin, die Krankheit, Hunger, den Verlust ihrer Jungen, meine Versuche, sie einschläfern zu lassen, Mussolinis Skalpell und jetzt auch noch den Hundefänger überlebt hatte, hatte sich meinen ganzen Respekt, meine Bewunderung und einen festen Platz in meinem Herzen ertrotzt. Weil ich am Anfang so stark dagegen angekämpft hatte, sie zu lieben, liebte ich sie am Ende umso mehr.
Ohne Gefährten, die sie weglockten, streunte Freccia immer weniger. Nur am Markttag entdeckte ich sie irgendwo im Ort, meist unter dem Delikatessenwohnwagen, der ihr jetzt ganz allein gehörte. Sie wurde mein Hund, meine Gefährtin und vor allem mein Schatten, der meinem Rad folgte, wo immer es auch hinfuhr. Und wenn ich mich über die Grenzen Andranos hinauswagte, kletterte sie auf meine Vespa, saß zwischen mir und dem Lenker und zog den Kopf ein, als ob sie etwas von Aerodynamik verstünde – für einen Hund, der Pfeil heißt, die einzig angemessene Art zu reisen. Sie kam mit zum Tennis, zum Strand und zur »California«-Tankstelle, aber ihr Lieblingsausflug war natürlich der zum Metzger. Von dort aus kehrte sie zwischen meinen Armen heim, während ihr der Fahrtwind das Fell zerzauste und sie einen Knochen im Maul hatte.
Freccia sollte mir noch ein halbes Jahr Gesellschaft leisten, bis ein Tierarzt in Tricase, ein einfühlsamer junger Mann, den ich am liebsten früher kennengelernt hätte, einen Tumor in ihrem Bauch entdeckte und sie von ihrem Leiden erlöste. Ich strich Freccia über die Ohren, als er die Spritze aufzog, sah ihr in die Augen, während sie glasig wurden und schließlich erstarrten. Das Letzte, was sie spürte, war das
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