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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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ging zum Ausgang.
    »Ich ruf dich an, sobald meine Frau weiß, was sie mit der Leiche machen will«, sagte er und meinte damit vermutlich seinen vergifteten Hund.
    » Va bene «, sagte der Tierarzt. »Und grüß deine Mutter.«
    Wir hätten genauso gut in einer Bar sein können.
    Nach einem frustrierenden Anfang war der Rest nur noch Routine. Der Tierarzt verkündete, er könne Freccias Eierstöcke nicht finden, sodass er ihre Gebärmutter entfernen müsse. Er schnitt drei Streifen Fleisch aus dem Durcheinander von Organen auf dem Operationstisch und warf sie in einen Eimer wie ein angeberischer Küchenchef, der zeigen will, wie gut er zielen kann. Die Patientin blutete, und die Helferin tupfte die Wunde mit einem Handtuch von der Wäscheleine ab. Der Tierarzt stopfte Freccias Eingeweide zurück in die Bauchhöhle – hoffentlich in derselben Reihenfolge, wie er sie entnommen hatte -, wischte die Wunde sauber, nähte sie zu, sprühte seine Arbeit mit Desinfektionsspray ein und bedeckte die Narbe mit einem Tupfer. Dann wickelte er dasselbe Klebeband, auf dem auch seine Handynummer stand, zweimal um Freccias Taille und verpackte sie wie ein Weihnachtsgeschenk.
    »Wie wollen Sie das je wieder abkriegen, ohne ihr das Fell auszureißen?«, fragte ich.
    » Tranquillo «, entgegnete er und warf seine Handschuhe in denselben Eimer wie den Uterus. »Sie wird nicht das Geringste spüren.«
    Freccia war losgebunden und auf die Seite gelegt worden, bevor der Tierarzt und seine Helferin den Raum verließen. Ohne sich die Hände zu waschen, ging der Grobian in sein Büro und rief seinem nächsten Opfer ein » Avanti! « entgegen. Ich blieb allein mit Freccia und Mussolini zurück, dem Hund und dem Hundesohn. Ich tätschelte die Patientin und starrte auf das Porträt des »Apostels der Gewalt«, wie sich Mussolini selbst tituliert hatte. Was er wohl zu der Darbietung des Tierarzts gesagt hätte? Abgesehen von den anfänglichen Komplikationen hätte er ihm bestimmt die Bestnote gegeben: Nüchtern, brüsk und gnadenlos – genau, wie es sich für einen anständigen Faschisten gehört.
    Eine halbe Stunde später kam der Tierarzt zurück, stopfte Freccia wieder die Zunge ins Maul und gab ihr mehrere Klapse, um sie zu wecken, als ob sie in Ohnmacht gefallen wäre. Als sie widerwillig zu sich kam, inspizierte er ihren Verband, befand ihn für perfetto und führte mich in sein Büro, damit wir die Rechnung begleichen konnten. Ich zahlte hundert Euro statt den üblichen zweihundert, natürlich in bar. Es gab keine Quittung, und nichts verriet unser kleines Geschäft bis auf den Verband um Freccias Torso. Selbst wenn die Guardia di Finanza am Ausgang auf uns gewartet hätte – ich hätte es nicht übers Herz gebracht, ihn abzureißen. Ein Bußgeld wäre weniger schmerzhaft gewesen, zumindest für Freccia.
    Trotz der holprigen Straßen verschlief Freccia die ganze Heimfahrt von Melafano und hatte den auch für mich schmerzhaften Vormittag hoffentlich wieder vergessen. Ich fragte mich, warum Teresa diesem grobschlächtigen Tierarzt dermaßen die Treue hielt, und erzählte ihr und Daniela, was im »Operationssaal« passiert war.
    »Bist du sicher, dass er ihre Eierstöcke nicht finden konnte?«, fragte Teresa.
    »Das hat er gesagt.«
    »Wenn du mich fragst, hat er sie gefunden, wollte sie aber nicht entfernen.«
    »Warum?«
    »Damit sie immer noch läufig werden kann.«
    »Aber ohne Gebärmutter kann sie doch nicht mehr läufig werden«, warf Daniela ein.
    »O doch«, beharrte Teresa.
    »Keine Ahnung«, meinte ich. »Aber selbst wenn, warum sollte er das wollen?«
    »Damit sie Sex haben kann, natürlich.«
    »Aber warum sollte er Interesse am Sexleben eines Streuners haben?«
    »Crris, die meisten Italiener glauben, dass es grausam ist, Tiere zu sterilisieren, weil es unnatürlich ist.«
    »Aber sie aussetzen – das ist natürlich, was?!«
    Teresa wurde genauso still wie Freccia.
     
    Wieder einmal sorgten Antibiotika und Parmaschinken für eine rasche Genesung. Obwohl man ihr Ruhe verordnet hatte, stromerte Freccia mit ihren Gefährten schon am nächsten Abend wieder herum. Sie sah lächerlich aus mit ihrem Verband, und ich musste eines Nachmittags aufs Burggelände eilen, als ich sah, wie ein alter Mann versuchte, ihn abzumachen. Aus Angst, das könnte noch mal passieren, schrieb ich darauf: »Nicht abmachen. Ich wurde operiert«, worüber der Tierarzt herzlich lachen musste, als ich Freccia zu ihm brachte, um die Fäden ziehen zu lassen.

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