Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
Vom Netzwerk:
wir drei freie Plätze in einem Warteraum voller ausländischer Gesichter: Afrikaner, Albaner, Chinesen und ein Australier. Es war der Tag der mündlichen Prüfung für stranieri , die ein Schreiben von ihrer jeweiligen Botschaft dabeihatten.
    Ungefähr jede Viertelstunde ging die Tür auf, und eine Stimme rief zwei Nachnamen oder versuchte es zumindest, da es sich dabei um ausländische Zungenbrecher handelte. Giovanni, der in der Zulassungsstelle ein- und ausging, verschwand für einige Minuten und kam dann mit einer guten Nachricht zurück: Der Prüfer war ein Mann, den er gut kannte, ein gewisser Signor Pozzo aus demselben Dorf wie Giovanni.
    »Ah«, rief Daniela aus, »aber doch nicht Paolo Pozzo? Er ist, soweit ich weiß, ein Freund der Familie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Frau mit meiner Mutter zur Schule gegangen ist.«
    » Perfetto «, sagte Giovanni grinsend.
    Ich schien bereits bestanden zu haben.
    Zwei Stunden später ging die Tür auf, und eine Stimme rief: »Arrison« sowie den Nachnamen eines jungen Franzosen, der hinter mir den Prüfungsraum betrat. Auf einem Podest am Ende des Zimmers, das ein Vortragsraum zu sein schien, saß ein Mann in einem beigen Anzug hinter einem Schreibtisch voller brauner Umschläge. » Prego «, sagte der Prüfer, griff nach den beiden, die obenauf lagen, und bat mich und den Franzosen, auf den Stühlen vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Giovanni ließ sich irgendwo in der ersten Sitzreihe nieder. Die Prüfung war öffentlich, und er durfte zuschauen.
    Während Signor Pozzo meine Akte durchging, brachte Giovanni meine Situation auf den Punkt und ließ die Erteilung einer Fahrerlaubnis wie eine bloße Formalität erscheinen, indem er sagte, dass ich Australier sei, bereits seit zwölf Jahren Auto fahre und nach einem Jahr in Italien einen italienischen Führerschein bräuchte.
    » Australiano? «, wiederholte der Prüfer. »Was zum Teufel haben Sie dann hier zu suchen?«
    Bevor ich etwas entgegnen konnte, antwortete Giovanni für mich, und es sollte nicht das letzte Mal an diesem Vormittag sein.
    »Crris ist der Freund einer jungen Dame aus Andrano, die Sie kennt und draußen wartet, um Sie begrüßen zu dürfen. Darf ich sie hereinrufen?«
    » Certo .«
    »Daniela!«
    Das war der einzige italienische Name, der an diesem Tag ausgerufen wurde.
    » Buongiorno «, sagte Daniela und betrat mit wiegenden Schritten den Raum.
    » Buongiorno «, erwiderte Pozzo, stieg von seinem Thron herab und gab ihr die Hand.
    »Es ist mir eine Freude, Sie wiederzusehen, Signor Pozzo. Wie geht es Ihnen?«
    »Sehr gut. Und Ihnen? Und Ihrer Familie?«
    »Hervorragend. Und Ihrer Frau?«
    Ich musste einfach grinsen, als ich sah, wie Daniela und Giovanni den Prüfer in eine Wolke aus Schmeicheleien und freundschaftlichen Beziehungen einhüllten. Nicht weil sie dachten, dass ich die Prüfung sonst nicht bestehe, sondern weil das so Usus ist in einem Land, das so ineffizient ist, dass es entscheidend sein kann, jemanden auf seiner Seite zu haben. Der Trick bestand darin, dem Mann das Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu sein. Danielas süßes, aber unterwürfiges Lächeln war eine größere Garantie, zu bestehen, als hätte ich das Lehrbuch auswendig gelernt.
    Nachdem Daniela dem Prüfer genügend Honig ums Maul geschmiert hatte, verließ sie den Raum, und meine Prüfung begann mit einem »Wer hat Vorfahrt«-Diagramm. Pozzo hielt ein Plakat mit Kreuzungen hoch, zeigte mit dem Finger auf eine Abbildung und wartete darauf, dass ich den Verkehr dirigierte.

     
    »A, E, V, H, C«, trug ich vor.
    » Bene «, erwiderte der Prüfer.

     
    » Il tram , B, A, C.«
    » Esattamente . Die Straßenbahn immer vorlassen, außer sie hat Rot.«
    » La bicicletta , S, P, N.«
    »Si.«
    » L’ambulanza , T, R, D.«
    » Si. «
    » G, D, l’autobus, B .«
    »Bene.«
    Danach bewährte sich der Franzose, bevor die Fragen völlig obskur wurden.
    »Welchen Führerschein braucht man, um einen Laster zu fahren, der mehr wiegt als 3,5 Tonnen?«
    »Einen, den wir nicht brauchen«, entgegnete der Franzose.
    Pozzo strich über seinen Schnurrbart und sah aus dem Fenster, wahrscheinlich dachte er sich gerade eine Strafe aus. Diese unverschämte Äußerung hatte die lockere Atmosphäre, die Daniela und Giovanni mit so viel Mühe geschaffen hatten, völlig zunichtegemacht. Der Franzose schien nicht zu begreifen, dass wir unabhängig davon, ob wir die Antwort wussten oder nicht, besser daran taten, dem Prüfer zu

Weitere Kostenlose Bücher