Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Schüler nach La Botte fuhr, ein paar Mal mit ihnen auf dem Parkplatz das Anfahren am Berg übte, um ihnen dann das Tauchen beizubringen. Mit den Mies- und Venusmuscheln, die sie von den Felsen pflückten, machte seine Frau Rosanna anschließend spaghetti marinara , die ihr Mann mit seinen Schülern teilte, während er ihnen die Verkehrsregeln erklärte.
Als sie erfuhr, dass ich meinen italienischen Führerschein machen müsse, schlug Daniela vor, ich solle mich an Giovanni wenden. Leider hatte ich nicht auf sie gehört. Ich dachte, die Angelegenheit sei eine leicht zu lösende Formalität, außerdem wollte ich ihr beweisen, dass man in Süditalien auch ohne Beziehungen etwas geregelt bekommt. Als wir zwei Monate nach meinem naiven Entschluss nach Castellano fuhren, saß Daniela gelassen auf dem Beifahrersitz und hatte die Güte, sich ein »Hab ich’s dir nicht gleich gesagt?« zu verkneifen.
Die autoscuola , für die Giovanni arbeitete, befand sich in einer Gasse, die so eng war, dass man mit dem Wagen, den man draußen stehen ließ, alle Regeln brach, die man gleich lernen sollte. In der Schule blätterte der Putz von den Wänden, die roten Jalousien waren nur noch ein blasses Orange, und die Leuchtreklame über der Tür war kaputt. Die Neonröhren lagen frei und flackerten. An einem kalten Februarabend öffneten wir die Tür und betraten einen von Rauch und Stimmen erfüllten Raum. Runde zwei begann ganz ähnlich wie Runde eins.
Eine langbeinige, junge Sekretärin hieß uns willkommen, bevor sie wieder an ihren Schreibtisch voller Formulare zurückkehrte. Hinter ihr an der Wand hingen außer dem obligatorischen Kruzifix eine Reihe von gerahmten Zertifikaten, die der Schule die Lehrbefugnis erteilten. Jedes jahrzehntealte, vergilbte Zertifikat war mit einem Mosaik bunter Steuerstempel verziert, die es aktuell machten. Alles andere in dem Raum schien sein Haltbarkeitsdatum bei Weitem überschritten zu haben, einschließlich einer alten Frau auf dem Sofa und der Zigaretten zweier Jugendlicher, die mit dem Handy telefonierten. Der Boden war uneben, und die Fliesen waren kaputt, dafür machte der knallrote Lippenstift der Sekretärin die unansehnliche Umgebung locker wieder wett.
Daniela stellte sich vor und sagte, sie sei wegen Giovanni gekommen. Die Sekretärin entgegnete, dass sie warten müsse. Als Daniela wissen wollte, wie lange, kam eine dröhnende Stimme aus dem Warteraum: »Ist das Daniela aus Andrano, die ich da soeben höre?« Durch eine niedrige Tür stürmte ein stämmiger Mann mittleren Alters und rannte mit ausgebreiteten Armen auf Daniela zu – eine mehr als passende Begrüßung für jemanden, dessen Nachname wortwörtlich »willkommen« bedeutet. »Giovanni!«, rief Daniela, küsste seine sonnenverbrannten Wangen. Auch er besaß Felder, auf denen er am Wochenende arbeitete. Ihre Wege hatten sich schon seit Jahren nicht mehr gekreuzt, und sie verbrachten Minuten damit, Neuigkeiten auszutauschen. Dann stellte mich Daniela vor – il ragazzo australiano -, und Giovanni schüttelte mir derart fest die Hand, dass ich mich breiter hinstellen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Der temperamentvolle Giovanni sah mit seinen struppigen Haaren, die ihm auf beiden Seiten vom Kopf abstanden, aus wie ein Clown, während sich oben nichts als Sommersprossen befanden. Er trug Cordhosen und ein Flanellhemd, an dem über seinem Bauch ein Knopf fehlte – allem Anschein nach war er abgeplatzt. Er sprach genauso ruckartig, wie er sich bewegte, hauptsächlich Dialekt. Ich konnte ihn kaum verstehen und mochte ihn trotzdem auf Anhieb. Er war wesentlich bodenständiger als Michele, und obwohl er eher aussah wie eine Vogelscheuche als wie ein Fahrlehrer, wusste ich sofort, dass er der Richtige für den Job war.
Giovanni scheuchte mich ins Nebenzimmer, wo derselbe Augenarzt, mit dem ich bei Michele den Sehtest gemacht hatte, hinter einem Holztisch saß. Er ging zu allen Fahrschulen im Umkreis von Lecce, weshalb man so lange auf einen Termin warten muss. Er erinnerte sich vage an mich, zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und sagte: » Canadese, vero ?«
» Australiano «, verbesserte ich ihn.
»Was war denn in Caritano los?«
»Dort hat es nicht geklappt«, mischte sich Daniela ein. »Aber nicht wegen ihm, wohlgemerkt.«
Der Weißkittel lächelte, sagte, er sei sich sicher, dass ich in den letzten zwei Monaten nicht erblindet sei, und erlaubte mir, den Sehtest auszulassen. Dann schrieb er meinen
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