Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
seiner Frage zu gratulieren, statt ihm wegen ihrer Irrelevanz zu widersprechen. Er war entweder noch nicht sehr lange in Italien oder hatte keinen so guten Mentor wie ich.
Während Pozzo und der Franzose über die Frage diskutierten, gab Giovanni ein zischendes Geräusch von sich, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich dachte erst, ich bilde mir das nur ein, und bemühte mich, es zu ignorieren, bis ich begriff, dass es keine Einbildung war. Erst als ein Kollege hereinkam, um den Prüfer etwas zu fragen, riskierte ich es, mich auf meinem Stuhl umzudrehen. Ich sah, wie sich Giovanni auf seinem vorbeugte, den Kopf senkte und mir zwischen zusammengebissenen Zähnen angestrengt die Antwort zuflüsterte. » E «, zischte er. » Patente E .«
Nachdem er vom Franzosen keine befriedigende Antwort erhalten und der Kollege den Raum verlassen hatte, konzentrierte sich Pozzo auf mich. »Nun«, fragte er zunehmend ungeduldig, »welchen Führerschein braucht man, um einen Laster zu fahren, der mehr als 3,5 Tonnen wiegt?« Die Situation war absurd. Ich war mir sicher, dass der Prüfer gesehen hatte, wie mir Giovanni die Antwort zuflüsterte. Andererseits war mein Fahrlehrer ein gerissener alter Fuchs, der ganz genau wusste, was er sich erlauben konnte und was nicht. Wie sollte ich mich verhalten? Vielleicht war das eine Falle, um zu sehen, ob ich schummelte oder nicht.
» Allora? «, hakte der Prüfer nach.
» E «, sagte ich leise.
» Mi scusi? Ich habe Sie nicht richtig verstanden.«
Ich räusperte mich und fand meine Stimme wieder.
» E. Patente E .«
» Bravo «, lobte mich der Prüfer.
Der Franzose und ich sahen uns ungläubig an.
Pozzos nächste Frage ließ mich wünschen, ich hätte Unwissen vorgetäuscht, anstatt auf Giovannis Wissen zurückzugreifen.
»Und wie lange gilt ein E-Führerschein?«
Ich riss die Augen auf. Der Franzose hatte seine geschlossen.
»Fünf Jahre«, zischte Giovanni.
Pozzo vertiefte sich in meine Akte, so als wolle er beide Augen zudrücken.
»Fünf Jahre«, sagte ich selbstbewusst.
»Bravo«, lobte er mich erneut.
Die Fragen wurden immer abwegiger. Vielleicht wollte Pozzo in Wahrheit meinen Fahrlehrer prüfen.
»Wie lange darf man seinen Wagen auf der Autobahn in einer Notfallhaltebucht abstellen?«
Sogar Giovanni schwieg. Der Prüfer hatte Schüler und Lehrer verblüfft.
»Bis sie kommen und es abschleppen«, sagte der Franzose stur, aber realistisch.
Pozzo legte den Kopf schräg und sah mich an.
»Das hängt von dem Problem ab«, sagte ich und zuckte die Achseln.
»Drei Stunden«, verkündete der Prüfer, stolz, seine eigene Frage beantworten zu können.
»Und was ist, wenn erst nach drei Stunden Hilfe kommt?«, fragte der Franzose, der vielleicht aus Erfahrung sprach.
Der Prüfer schlug mit der Hand auf den Tisch wie ein Auktionator, der dem Bieten ein Ende setzt.
»Drei Stunden sind das Maximum, länger darf man seinen Wagen nicht in einer Notfallhaltebucht abstellen«, bellte er. So lautete die Regel. Die Realität interessierte ihn nicht.
»Steht das auch im Fahrschullehrbuch?«, hakte der Franzose nach, der vom Gegenteil überzeugt war. Er hatte es aufgegeben zu bestehen und wollte lieber Recht behalten.
Der Prüfer warf ihm über seine Armani-Lesebrille hinweg einen strengen Blick zu. Die Frage wurde ignoriert. Die Unverschämtheit nicht.
Während der Franzose aufstöhnte, stellte der Prüfer die nächste Frage: »Wie schnell darf ein Tanklastzug in einer geschlossenen Ortschaft fahren?« Ich hatte keine Ahnung, warum er weiterhin Fragen stellte, die sich auf eine Fahrerlaubnis bezogen, an der wir gar nicht interessiert waren. Ich sah mich hilfesuchend zu Giovanni um, während der Franzose aufs Geratewohl sagte: »Fünfzig, sechzig, siebzig?« – doch selbst die Schultern meines Fahrlehrers blieben verkrampft. »Dreißig!«, rief der Prüfer aus und brachte den Franzosen zum Schweigen, der mittlerweile bei »… hundert?« angelangt war.
Die Prüfung verwandelte sich in eine Unterrichtsstunde, die noch weitere fünf Minuten im selben Stil fortgesetzt wurde. Dann begann Pozzo damit, medizinische Fragen zu stellen, was leider noch frustrierender war. Er wollte von uns wissen, wie wir eine Hämorrhagie, also eine Blutung, am Unfallort stillen würden. Falls das Opfer Pozzo wäre – ich würde ihn verbluten lassen. Was für unterschiedliche Hämorrhagien gab es? Wie kann man sie auseinanderhalten? Und wie behandelt man sie im Einzelnen usw.? Obwohl mein eigenes
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