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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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er der Frau sagte, dass sie fantastisch aussehe, während er sie wenig ritterlich in den Rücksitz seines zweitürigen Fiats drückte – eine Unverschämtheit, die nur gespielten Protest hervorrief.
    Wie sich bald herausstellte, war Roccos Bemerkung über die Mannstollheit der Frau absolut zutreffend. Es war die Prüferin, die geprüft werden wollte.
    »Warum kaufen Sie sich keinen Viertürer, Rocco?«, beklagte sie sich und brachte ihre Lockenpracht wieder in Ordnung. »Ich komm in diese Kisten einfach nicht mehr rein. Ich habe zugenommen. Hier.«
    Sie fuhr an ihren Schenkeln entlang, die in knallengen Jeans steckten.
    » Sei perfetta, signora «, beruhigte sie Rocco und schloss die Tür.
    »Assolutamente perfetta.«
    In Wahrheit war die wenig elegante Mittdreißigerin vollkommen unscheinbar, aber solange sie in Roccos Fiat saß, war sie für ihn Sophia Loren. Als sie nicht sehr höflich fragte, wer ich sei, befürchtete ich schon, sie habe etwas gegen meine Anwesenheit – jetzt, wo sie ihren Mantel ausgezogen und ein Liebesnest auf dem Rücksitz damit gebaut hatte. Aber dann sah ich, dass sie eine Liste mit Namen in der Hand hielt und wirklich wissen wollte, wer ich war.
    »Chris Harrison«, entgegnete ich und sprach das H dummerweise mit aus.
    Sie überflog die Liste.
    » Mi scusi?«
    »Crris Arrison«, verbesserte ich mich rasch.
    Nach einer kurzen Suche fand sie meine Akte, starrte mein Foto an und beugte sich dann zwischen den Sitzen nach vorn.
    »Würden Sie bitte Ihre Sonnenbrille abnehmen, Crris?«, bat sie mich, nicht ohne hinzuzufügen: »Habe ich Ihren Namen richtig ausgesprochen?«
    »Perfetto signora.«
    Und da ich wirklich ich war, lehnte sie sich zufrieden in ihrem Sitz zurück.
    »Wenden Sie«, befahl sie mir, »und fahren Sie dorthin, wo wir hergekommen sind.«
    Ich fuhr eine langsame, exakte Kurve und vergaß das erste Mal seit Jahren auch das Blinken nicht. Die fünf noch verbliebenen Fahrschulautos folgten uns hektisch, eine Formation, die auf die Zuschauerinnen auf ihren Balkonen wie eine wunderbare Choreographie gewirkt haben muss. Ohne es zu merken, hatte die Prüferin die Hackordnung umgedreht, und der Wagen, der vorher als Nächster drangekommen wäre, war nun der Letzte. Das führte zu einem weiteren wütenden Gehupe, das ich möglichst ignorierte, während ich die Straße hinunterkroch.
    Meine Prüfung dauerte ganze zwei Minuten, von denen ich die meiste Zeit an einer Ampel stand. Nach einmal Linksabbiegen und Rückwärtseinparken – Lecce ist so platt, dass das Anfahren am Berg entfallen muss -, fuhr ich auf Befehl der Prüferin rechts ran und parkte ein, natürlich nicht, ohne vorher zu blinken. Während sie etwas auf meine Formulare kritzelte, verkündete die Frau, dass es ihrer Meinung nach vor allem auf die Theorie ankäme, und wenn ich die bestanden hätte, hätte ich meinen Führerschein auch verdient – ein ziemlich bizarrer Kommentar von einer praktischen Fahrprüferin. Sie wühlte in ihrer Handtasche und holte einen Stapel Plastikkärtchen hervor, die durch einen Gummi zusammengehalten wurden, bevor sie mir meinen Führerschein mit Foto gab, den ich auf dem Armaturenbrett unterschrieb. Das Datum auf dem Führerschein war das Datum der Prüfung. Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich durchgefallen wäre.
    Sie wünschte mir » Happy Highways «, griff nach der ihr von Rocco dargebotenen Hand und kletterte aus seinem Fiat. Er und ich tauschten die Plätze, und mit quietschenden Reifen von der Sorte, die Spuren auf dem Asphalt hinterlassen, ließ er sie mitten auf der Straße stehen, wo sich die übrigen Fahrlehrer sofort um sie prügelten.
    Ich hatte erwartet, dass die Tortur mit einem vorläufigen Führerschein enden und ich den echten Führerschein erst nach einer dreimonatigen Warterei auf die Post in Händen halten würde. Aber Italien steckt voller Überraschungen. Während wir zu einer Bar rasten, die Rocco kannte, steckte ich den Führerschein in meine Brusttasche, holte tief Luft, und all die Monate voller Frust waren auf einen Schlag vergessen. Ich war stolz auf mich – ich besaß einen italienischen Führerschein, ohne irgendjemanden bestochen zu haben.

25
     
    Fit im Schritt
     
    D aniela hält das Andenken an ihren Vater, wie er einmal war, wach, indem sie es ihm gleichtut. Wenn sie einen Schauspieler mit zweifelhaftem Talent im Fernsehen sieht, flüstert sie: » Raccomandato «, und meint damit, dass der Schauspieler noch immer ein armseliges Dasein fristen

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