Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
von Patienten, die wegen einer Routineoperation ins Krankenhaus kamen und weitaus mehr verloren als nur ihren Blinddarm.
Wartelisten für medizinische Behandlungen sind schmerzlich lang – etwas, das ich am eigenen Leib spüren sollte, als die »Schlange« endlich kürzer wurde und ich drankam. Der Chirurg verordnete mir eine Kernspintomographie, aber als Daniela anrief, um einen Termin zu vereinbaren, erfuhr sie, dass das frühestens in einem halben Jahr stattfinden könne. Mit der Hilfe eines Freundes, der ebenfalls Chirurg am Falese-Krankenhaus war, wurde ein Plan ausgeheckt, der die Wartezeit auf eine Woche reduzierte. Um eine solche Dringlichkeit zu rechtfertigen, musste ich allerdings schwere Schmerzen vortäuschen und mich dem unterziehen, was Italiener einen ricovero nennen. Das heißt, ich musste mich ins Krankenhaus einweisen lassen. Leider stand das einzige Bett, das noch frei war, auf der Urologie-Station, wo aufgrund der hier behandelten Anatomie wohl kaum eine Nonne dafür sorgen dürfte, dass alles rundlief. Aber entweder die Urologie oder ein halbes Jahr warten. Also beschloss ich, mich vertrauensvoll in die Hände der Schwestern zu begeben und meinen fitten Schritt unter das Mikroskop zu legen.
Eine Woche später tat mir die Hüfte immer noch weh, wenn auch nicht so sehr, wie ich vortäuschen sollte. Ich war gerade im Schlafzimmer und packte eine Tasche fürs Krankenhaus, als mir Daniela aus der Küche zurief: »Vergiss nicht Besteck, Toilettenpapier und Trinkwasser mitzunehmen.« So begann mein ricovero in ein italienisches Krankenhaus, das mich, obwohl es zu den besseren Krankenhäusern im Salento gehörte, höchst dankbar dafür sein ließ, dass ich nicht ernsthaft krank war.
Um sieben Uhr morgens kam ich mit nüchternem Magen und dramatisch humpelnd schwer auf Danielas Arm gestützt zur Aufnahme in der Urologie. Pünktlich wie immer waren wir die Ersten in einer Schlange aus kleinen Männern und dicken Frauen, Patienten und ihren Begleiterinnen, Ehemännern und Ehefrauen, die alle einen Koffer mit Schlafanzug, Hausschuhen und, wie ich später noch feststellen sollte, mit Besteck, Toilettenpapier und Trinkwasser dabeihatten.
Als mir Daniela während der Anmeldung mein libretto sanitario reichte, wurde die Schwester misstrauisch: »Weshalb genau ist il signore hier?«, fragte sie.
Daniela, die diese Frage unvorbereitet traf, musste improvisieren: » Per analisi urgenti .«
»Aber ich finde hier keine Angaben zu dringenden Untersuchungen in meinem Computer.«
Wieder antwortete Daniela spontan: »Ich bin mir sicher, der Arzt hat sämtliche Angaben.«
»Dann lassen Sie uns auf ihn warten, bevor wir den Patienten aufnehmen«, sagte die Schwester schnippisch, die eher mit der Hölle als mit dem Himmel im Bunde zu stehen schien. »Sie können hier warten«, fügte sie hinzu und zeigte auf eine improvisierte Kapelle auf der anderen Seite des Eingangsbereichs.
Die Kapelle war voller Madonnenikonen, besaß ein silbernes Kruzifix, Topfpflanzen, eine Bibel auf einem Holzpult und mehrere Stühle, die von Patienten in Schlafanzügen besetzt waren. Außerdem war dort noch eine Frau mit einer Schürze, die die Ikonen abstaubte. »Das ist die Chefin«, flüsterte sie, als wir uns setzten. »Alle denken, die Nonnen wären nett, dabei sind sie beinhart.«
Eine laute Glocke ertönte. Ich hielt sie für den Feueralarm, bis ich einen Priester entdeckte, der die Patienten zum Gebet rief. Mehrere alte Männer in Pantoffeln kamen in die Kapelle geschlurft, zusammen mit der Nonne, die anders als die Patienten sämtliche Gebete mitsprach, ohne sie von einem fotokopierten Zettel abzulesen. Wie immer wurde ich von allen angestarrt, vor allem von der Nonne, die sich wunderte, warum ich nicht mitbetete. In Wahrheit tat ich das sogar, wenn auch nur, um um die Ankunft meines Spezialisten zu bitten.
Gegen neun, als die anderen Neueinweisungen bereits alle möglichen Probebehälter und die besseren Betten am Fenster gefüllt hatten, hockte ich immer noch in der Kapelle und las einen Artikel über den Sommerurlaub des Papstes. Daniela rief in der Schule an, um zu sagen, dass sie später käme. Ich war müde und hungrig, da man mir wie allen Patienten befohlen hatte, für Blut- und Urinproben nüchtern zu sein. Ich brauchte keine Blut- und Urinuntersuchung, trotzdem blieb mir nichts anderes übrig, als zu kooperieren, um die Nonne, die bereits Verdacht geschöpft hatte, nicht noch misstrauischer zu machen.
Als der
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