Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Begräbnisglocken geläutet? Wer war krank geworden, wer heiratete, und wer ließ sich scheiden?
Bis ich mich endlich losreißen konnte, war es bereits später Vormittag, und Valeria bestand darauf, mir etwas zum Mittagessen mitzugeben. Dass ich mit dem Motorroller gekommen war, schreckte sie auch nicht ab. Einmal kam sie mir in der Schürze nach und hatte eine Pfanne mit Bohnen in Basilikum-Tomatensauce dabei. Damals weilte Freccia noch unter uns. Ihre Laune und Nase hoben sich sofort, als die Pfanne auftauchte. Nachdem ich mein motorino bestiegen hatte, streckte mir Valeria die Pfanne entgegen und sagte: »Buon appetito .«
»Sie duften köstlich«, erwiderte ich, »aber ich kann keine Pfanne auf meiner Vespa transportieren.«
»Wie wär’s hier?«, schlug sie vor und stellte die Bohnen zwischen meine Füße.
»Die Sauce wird auslaufen.«
»Und auf dem Sitz, zwischen deinen Knien?«
»Dort wird sie immer noch auslaufen.«
Freccia begriff, dass die Bohnen nicht für sie waren, und kehrte an ihren Platz an der Sonne zurück.
Valerias Augen leuchteten auf, als sie den perfekten Platz für die Pfanne entdeckte: auf dem Armaturenbrett, direkt über dem Tacho. Als Italienerin hielt sie dieses Instrument wohl für durchaus entbehrlich.
»Wie soll ich das hier balancieren, Valeria?«
»Du musst doch nur den Hügel runterrollen!«
Sizilianer sind genauso stur wie großzügig, und trotz weiteren Protests schlich ich schließlich mit einer Feinkost-Fracht auf dem Tacho nach Hause. Was ich an Andrano liebe, ist, dass sich niemand nach mir umsah, außer dem vigile auf der Piazza, dessen Nasenlöcher sich genauso weiteten wie die von Freccia, als die Bohnen vorbeirollten. Er hätte mir bestimmt ein Bußgeld aufbrummen können, wenn er in der Stimmung dazu gewesen wäre, aber die Kirchturmuhr hatte gerade eins geschlagen, und sein eigenes Mittagessen wartete auf ihn.
Obwohl mir Valerias Einmischungsversuche guten Grund gaben, mich zu beklagen, tat ich uns mit meinen respektlosen Bemerkungen auch keinen Gefallen. Ein paar Wochen nachdem sie die fehlende Stange im Tor entdeckt hatte, die der fabbro für Freccia entfernt hatte, kam Valeria nach Hause und überraschte mich dabei, wie ich mit ihrer Augenbrauenpinzette eine Zecke aus Freccias Ohr entfernte. Ich hätte die Pinzette natürlich anschließend sterilisiert, aber dieser Anblick war zu viel für Danielas Mutter, die meine Liebe zu »Dogs« – oder wie in Freccias Fall zu »Underdogs« – ohnehin merkwürdig fand. Sie war viel zu schockiert, um etwas zu sagen, also bemühte ich mich, die Situation zu entspannen, indem ich witzelte, sie solle sich schon mal anstellen, als Nächstes käme sie dran. Als ihre Kinnlade nur noch weiter herunterfiel, sagte ich, ich würde ihr auch einen Preisnachlass geben, falls das ihre Sorge sei. Daniela war mir in solchen Situationen immer eine große Hilfe, weil sie dann so ansteckend lachte, dass ihre Mutter gar nicht anders konnte, als widerwillig miteinzustimmen.
Humor hatte unsere jeweiligen Sprengsätze und Unterschiede stets entschärft, aber wenn es um die Hochzeit ging, war jedem von uns das Lachen vergangen. Bei jeder Gelegenheit fragte mich Valeria nach meinen religiösen Überzeugungen aus. Einmal wollte sie wissen, ob der Mensch meiner Meinung nach perfekt oder ein Sünder sei. Meine Antwort, dass er ein perfekter Sünder sei, war nicht ganz das, was sie hören wollte. Die Vorstellung von einer individuellen Spiritualität ging einfach nicht in Valerias Kopf hinein. Der einzige Ort, an dem man Gott ihrer Meinung nach finden konnte, war die Kirche. Zum Glück teilte Daniela meine Überzeugungen, und wir verfolgten unsere Pläne für eine standesamtliche Trauung weiter, auf die Gefahr hin, dass uns Valeria und ihr Gott boykottieren würden.
Da wir wussten, wie einsam Valeria war, wenn sie Franco pflegte, besuchten Daniela und ich sie, so oft wir konnten. Aber je näher die Hochzeit rückte, desto mehr drückte ich mich davor – diese ständige Inquisition trieb mich in den Wahnsinn. Ich fragte Valeria schließlich auch nicht, warum sie zur Kirche ging – was gab ihr da das Recht, mich zu fragen, warum ich nicht ging? Die Spannungen wurden immer größer, und die Stimmung sank. Sogar Daniela und ich fingen an zu streiten. Es musste dringend etwas geschehen, und wie immer war es Daniela, die etwas unternahm.
Eines Abends saß ich allein im Strandhaus und sah mir das Mondlicht über dem Mittelmeer an – was übrigens
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