Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
damit ich mich umzog, geistig umpolte und meine Eltern einsammelte, die bestimmt schon dachten, ich sei von Valerias Dach gefallen, während ich nach dem Wetter sah.
Ich trat das Gaspedal durch und jagte die Tachonadel des Lancia weit in den roten Bereich, als ich auf der einsamen Strecke zwischen Andrano und dem Hafen wen sonst, wenn nicht die carabinieri traf, deren Lollipops mich zum Anhalten zwangen. Einen Mann mit Maschinengewehr soll man nicht ignorieren, also nahm ich seine Einladung an und fuhr rechts ran. Ich war nicht angeschnallt, aber entweder, sie bemerkten es nicht, oder es war ihnen egal. Es handelte sich um eine Straßensperre und weniger um eine Geschwindigkeitskontrolle. So gesehen interessierten sie sich mehr für albanische Flüchtlinge in meinem Kofferraum als dafür, wie schnell ich fuhr. Betont langsam gaben sie meine persönlichen Daten in ihren Laptop ein. Zum Glück war ich dort nirgendwo gespeichert, was eigentlich erstaunlich war, wenn man bedenkt, wie oft ich die Strecke im Sommer hin- und hergerast war. Als ich zu Hause war, hatte ich noch genau zehn Minuten, zitterte vor Stress und schrie meinen Eltern immer noch Obszönitäten um die Ohren, die sie nicht verstanden.
Ich zog mich aus, duschte, rasierte mich, zog meinen Anzug an, während sich sowohl mein Magen als auch meine Krawatte verknoteten. Dann ging es gemeinsam mit meinen Eltern und den Ringen zurück in den Lancia. Ich machte einen Umweg über Marittima, um den carabinieri zu entgehen, die den Mann im Anzug bestimmt verhaftet hätten, weil sie ihn des Diebstahls des Wagens des Mannes in der Badehose verdächtigten.
Mit zehn Minuten Verspätung trafen wir bei Nieselregen auf der Piazza Castello ein, wo die Gäste zum Himmel hochsahen und etwas vom scirocco murmelten. Rüde rasten wir nach oben, um in Augenschein zu nehmen, was ich meinen Eltern als den Besenschrank der Burg beschrieben hatte. Stattdessen fanden wir einen elegant dekorierten Amtsraum vor, der aussah, als habe man ihn schon vor Wochen herausgeputzt. Wo dreckige Klamotten gewesen waren, standen jetzt Tulpen, und an den Wänden hingen historische Fotos von Andrano. Ich konnte mich im blitzsauberen Boden spiegeln, ein roter Teppich trennte zwei ordentliche Stuhlreihen und führte zu einem blumengeschmückten Tisch. Dahinter standen drei Flaggen, die italienische, die europäische und die mit dem Wappen Andranos. Am Fenster zupfte die Harfenistin eine keltische Melodie, und an der Tür standen meine Eltern sowie meine sprachlose Wenigkeit. Ich kam mir vor, als habe man mir einen Streich gespielt. Ein Wunder war geschehen, wie die, um die man sonst nur in einer Kirche bittet. Trotzdem darf Valeria nie erfahren, dass ich das gesagt habe.
Meine Eltern warfen mir vor, das Chaos maßlos übertrieben zu haben. Aber wären sie vor einer halben Stunde hier gewesen, hätten sie einen hektischen Haufen Einheimischer gesehen, die wie Ameisen auf einem weggeworfenen Stück Brot herumwuselten und die Katastrophe um ein Haar verhinderten. Aber es wäre auch keine echt italienische Hochzeit gewesen, wenn es nicht wenigstens ein bisschen dramatisch zugegangen wäre und man nicht bis zur letzten Minute gezittert hätte, ob auch ja alles gutgeht. Hier schien es eine größere Herausforderung zu sein, das Versprechen eines geputzten Raumes zu halten, als ihn noch in letzter Minute herauszuputzen. Nur Italiener wissen, wie man eine aussichtslos erscheinende Situation doch noch retten kann. Daran, dass ich fest mit einer Katastrophe gerechnet hatte, zeigte sich, dass ich trotz meiner Aufenthaltsgenehmigung, meiner fließenden Sprachkenntnisse und meiner Fähigkeit, eine Wassermelone auf dem Fahrrad zu balancieren, immer noch ein Außenseiter in Andrano war. Trotzdem: Meiner Meinung nach war es ein unnötig aufregender Nachmittag gewesen. Jetzt fehlte nur noch die Guardia di Finanza , die sich der Harfenistin annahm. Das Leben in Italien kann wirklich anstrengend sein.
Selbst wenn man weiß, dass die Braut auftauchen wird, weil man vor dem Zimmer schon die Gäste klatschen hört, macht einen das Warten am Altar nervös. Vor allem, wenn man so lange warten muss wie ich. Daniela hatte darauf bestanden, am Arm ihres Vaters zum Altar zu schreiten. Das bedeutete, in seinem Tempo neben ihm her zu schlurfen. Jetzt verstand ich auch, warum sie auf einer Zeremonie im Innenhof bestanden hatte: um Franco das Treppensteigen zu ersparen. Als ich sah, wie Vater und Tochter eintrafen, wobei sie ihn
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