Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
Approbation entzogen worden. Der Mann, der seinen Sohn auf dem Riesenrad im Auge behielt, suchte überall nach dem Dieb seines motorino . Angeblich waren seine chronischen Rückenschmerzen mit dem motorino verschwunden. Dafür wollte er sich bei dem Dieb bedanken und ihm den Zündschlüssel geben, statt ihn den Behörden auszuliefern. Der Dieb glaubt jedoch an einen Trick und hält sich lieber versteckt.
Viele Anekdoten waren jedoch eher tragisch wie die des Mannes mittleren Alters und der Frau an der Bar – Romeo und Julia von Andrano. Kurz nach der Hochzeit kam er nach Hause und fand einen Abschiedsbrief vor, in dem von Ehebruch die Rede war. Seine Frau war neben einer halbleeren Flasche Bleiche zusammengebrochen. Nachdem er den Rest selbst ausgetrunken hatte, landete der Mann im selben Krankenhaus wie seine Frau, wo sie dann in Pantoffeln und Schlafanzug schmutzige Wäsche wuschen.
Kein so gutes Ende war einer alten Frau beschert worden, die gerade eine Hand voll Haselnüsse im Burghof aß. Nachdem sie ihre Rente von der Post geholt hatte, kam sie eines Tages nach Hause und sah, dass ihr Mann von zwei Banditen mit Sturmhaube bedroht wurde. Als man ihr befahl, die Rente herzugeben, zeigte die Frau auf ihre leeren Taschen und sagte, die Computer auf der Post seien kaputt, die Diebe sollten am nächsten Tag wiederkommen. Erstaunlicherweise taten sie das, zusammen mit den carabinieri , die daraufhin den Sohn der Frau und seinen besten Freund entwaffneten und demaskierten. Manchmal ist eine Sturmhaube alles, was von den engmaschigen Beziehungen einer italienischen Familie übrig bleibt.
Wir trafen auch Danielas Bankberater Errico, den ich eine Woche zuvor kennengelernt hatte, als ich ein Konto in seiner Filiale eröffnete. Nachdem wir ein paar Höflichkeiten mit seiner Frau und Tochter ausgetauscht hatten, teilte ihm Daniela mit, dass bei seinem Bankautomaten die Druckerpatronen leer seien. »Wir müssen die Quittung mit einem Bleistift schraffieren, um sie lesen zu können.«
»Ach ja? Genauso wird in Sizilien gewählt«, entgegnete Errico und lachte über seinen eigenen Witz. »Bei uns laufen die Dinge etwas anders, Crris«, fuhr er fort. »Gestern habe ich einen Mann angerufen, um ihm zu sagen, dass ich den Scheck nicht einlösen kann, den er seinem Automechaniker gegeben hat, weil er kein Geld auf dem Konto hat. Um das Problem zu lösen, schlug er mir vor, der Bank einen Scheck auszuschreiben.« Er lachte erneut und tätschelte meinen Arm.
Hinter der Bühne begegneten wir Concetta und noch einer Irlandreisegefährtin Danielas. Sie trugen knallorange Sanitäteruniformen und lehnten an der Tür der Misericordia - oder Erste-Hilfe-Station. Sie hatten Bereitschaftsdienst, falls irgendjemand unter den Lichtern einen Herzinfarkt erleiden sollte. » Buonasera paramedici «, sagte ich, bevor ich die beiden auf ein Erfrischungsgetränk an der Bar einlud. Während sie ihre Zunge um drei Kugeln Ananaseis gleiten ließ, erzählte mir Concetta, wie sie und ihre ehrenamtlichen Kollegen jahrelang versucht hatten, genug Geld zu sammeln, damit Andrano seinen eigenen Krankenwagen bekäme. Auf diese Weise wären zukünftige Bleichetrinker zehn kostbare Minuten früher ins Krankenhaus gekommen. »Das Geld für den Krankenwagen verpufft da oben«, rief Concetta und zeigte auf das Feuerwerk über ihrem Kopf. Zu dumm, dass Erricos Kunde ihr nicht einfach einen Scheck ausschreiben kann!
Langsam begann ich Danielas Aversion gegenüber der Festa Padronale von Andrano zu verstehen. Was ursprünglich eine religiöse Prozession gewesen war, gefolgt von einem kleinen Fest, auf dem man bescheidene Mengen an Brot, Gemüse und seltenem Fleisch aß, ist heute ein übertriebener Versuch, so zu tun, als seien bessere Zeiten angebrochen. Da so viele öffentliche Dienstleistungen immer noch dermaßen primitiv oder gar nicht vorhanden sind, hält Daniela das Fest angesichts der damit verbundenen atemberaubenden Kosten von 40 000 Euro für eine idiotische Verschwendung. Dabei sind die 5000 Andranesi geradezu geizig im Vergleich zu den 1500 Einwohnern von Diso, die jährlich über 200 000 Euro für eine Party zu Ehren der Heiligen Filippo und Giacomo springen lassen. Dagegen wirkt Andranos Feier so, als hätten ein paar alte Leute vergessen, das Licht auszumachen.
Trotzdem gibt es nur wenige in Andrano, die so denken wie Daniela. Die meisten spenden mit vollen Händen, wenn die Organisatoren des Fests an ihre Türen klopfen, auch wenn die Straßen
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