Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
vervollständigten. Als wir nur noch auf ein Amt mussten, verkündete Daniela beglückt, dass wir jetzt bald »die Kröte gekratzt« hätten. Ihr Englisch sollte ihr noch so manchen Stein in den Weg legen.
Nicht nur Anfänger machen Fehler. Sogar Profis geben freudsche Versprecher von sich. Einige Monate nach unserem Umzug nach Norden spielte ich ein gemischtes Doppel auf einem Tennisplatz in Mailand, als in der Nähe ein Feuer ausbrach. Als endlich Alarmsirenen zu hören waren, verkündete ein italienischer Freund: »Hier kommen die Blow-Jobs« ( pompini ) statt: »Hier kommt die Feuerwehr« ( pompieri ). Seine Partnerin vergeigte mehrere Aufschläge, bis sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte.
Je mehr Fehler ich machte, desto mehr lernte ich. Und je mehr ich lernte, desto besser begriff ich, dass sich hinter der Schönheit der Sprache ziemlich viele grammatikalische Stolpersteine verbargen, die ich aus dem Weg räumen musste, wenn ich wirklich italienische Texte lesen und schreiben wollte. Ich hatte nicht vor, den Fehler zu begehen, nur die Umgangssprache zu lernen, was nicht weiter schwer ist, wenn man im Ausland lebt. Während Daniela und Francesco hart in der Schule und im Büro arbeiteten, arbeitete ich zu Hause hart daran, mir Italienisch beizubringen.
Die Bücher, die mir Daniela kaufte, deckten aktuelle Kulturthemen mit dem geläufigsten Vokabular ab. Wie die Zeitung spiegelten sie wieder, was sich draußen unter dem Nebel abspielte. Die Kapitelüberschriften lasen sich wie eine Liste moderner Plagen: Umweltverschmutzung, Verkehrsprobleme, Mafia, Verbrechen und der Konditionalis wurden mir alle mit der Ursache für die häufigsten Unannehmlichkeiten in Italien erklärt, nämlich mit Streik: »Maria und Peter wären am Wochenende nach Paris gefahren, wenn die Fluggesellschaft nicht gestreikt hätte. Sie wären Auto gefahren, wenn die Tankstellen nicht bestreikt worden wären.« So blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als zu Fuß zu gehen.
Sobald Daniela von der Arbeit kam, pflegten wir einen Spaziergang in der näheren Umgebung zu machen, wo vieles aus meinen vormittäglichen Lektionen zum Leben erweckt wurde. Mein Lehrbuchinhalt deckte sich erstaunlich mit der Realität, und zwar mehr, als mir lieb war, ganz besonders aber, was das Kapitel 9 betraf: »Fußgänger haben’s schwer«.
Während wir ein Minenfeld aus hohem Gras und Hundekacke durchquerten – die Mailänder Variante eines Parks -, zuckten wir plötzlich wegen eines Bremsenquietschens und eines metallischen Aufpralls zusammen. Wir eilten zum Unfallort und sahen, wie sich zwei Männer anschrien und wild herumfuchtelten. Sie benutzten dieselben Gesten, die ich in Kapitel 6, » Gesti «, gelernt hatte. Eines der wenigen lustigen Kapitel in meinem Lehrbuch, das ausschließlich jenen nonverbalen Gesten gewidmet war, die für eine italienische Unterhaltung genauso unerlässlich sind wie Vokabeln und Grammatik. Der berühmte Witz – »Wie unterbricht man einen Italiener beim Reden? Indem man ihm die Hände abhackt« – ist alt, aber zutreffend. Die Hände der Italiener sind genauso aktiv wie ihre Münder, von beidem wird gleichzeitig heftiger Gebrauch gemacht. Wenn Daniela Auto fährt und redet, muss sie mit den Knien lenken.
Das Kapitel » Gesti « bestand aus einer Reihe von Illustrationen mit Pfeilen, die anzeigten, wie man die Hände bewegen muss, um wortlos kommunizieren zu können. Unter jeder Abbildung stand ein Satz oder eine Redewendung, normalerweise ein Ausruf, für den die Geste stand. Wer einen angewinkelten Finger in die Wange drückt und dreht, meint: »Dieses Essen schmeckt köstlich!« Wer den Handrücken unter das Kinn legt und ihn dann mehrmals heftig nach vorn bewegt, will sagen: »Mir doch egal!« Und wenn sich alle fünf Fingerspitzen berühren und man die Hand gleichzeitig vor und zurück bewegt, als mixe man einen Cocktail, heißt das: »Was zum Teufel willst du eigentlich?!«
Es gibt noch andere Gesten, die nicht für Lehrbücher geeignet sind und die oft von wütenden Verkehrsteilnehmern oder Fußballfans zum Besten gegeben werden. Zu dieser obszönen Zeichensprache gehört es zum Beispiel, den kleinen Finger sowie den Zeigefinger einer Hand zu strecken, um Hörner nachzubilden und jemandem zu bedeuten, die Frau oder Freundin setze ihm Hörner auf. Diese Geste konnte ich vor allem im sizilianischen Straßenverkehr beobachten, und zwar öfter als Blinker oder Bremslicht.
Die beiden Männer in Mailand gaben also
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