Siesta italiana: Meine neue italienische Familie
sie so betrunken sind, dass sie sich nicht mehr daran erinnern können, sondern weil sie so nüchtern sind, dass es ihnen völlig egal ist. Die Volljährigkeit ist dagegen ein ganz anderes Thema.
Italiener brauchen keinen Alkohol, um ihre Hemmungen zu verlieren. Am Strand von Andrano hatte ich mit Danielas stocknüchternen Freunden an Gesängen teilgenommen, für die meine australischen Freunde mehrere Flaschen Whiskey gebraucht hätten. Hier benötigte man nichts Hochprozentiges, um hundert Prozent Spaß zu haben, und ich fand es angenehm, am Samstagabend ins Bett gehen zu können, ohne dass sich die Decke drehte.
Die Spaghettata am Sonntagabend war allerdings nichts für Abstinenzler. Unsere Freunde ließen durchaus Alkohol über ihre Lippen – aber ausschließlich zum Essen. Das sorgte dafür, dass sie niemals betrunken wurden, selbst wenn sie sich einbildeten, sie tränken weniger, wenn sie ihre Gläser nur halbvoll machten. Danielas Cousin Antonio unterdrückte ein Grinsen, als er bestritt, dass zwei halbe Gläser dasselbe seien wie eines. Und was mir überhaupt einfiele, sinnvolle Traditionen mit meiner langweiligen Wahrheitsliebe zu zerstören? War der Abend dann vorüber, griffen sie nach ihrem Autoschlüssel, ohne sich weiter Gedanken über ihren Alkoholkonsum zu machen. Niemand kannte die legale Promillegrenze, wahrscheinlich nicht einmal die Polizei.
Die Idee eines gemeinsamen Sonntagsmahls ward geboren, als wir zu acht im Park gewesen waren, um den Bumerang zu werfen, den ich Michele geschenkt hatte. Ich hatte erwartet, dass er dasselbe tat wie alle anderen Freunde, die einen Bumerang bekommen hatten, nämlich ihn entweder im Regal auszustellen oder ihn in einer Schublade zu vergessen. Stattdessen erwartete der reizbare Sizilianer, dass ich ihm zeigte, wie man ihn wirft. Angesichts meiner Nationalität nahm er an, dass ich das wüsste.
Aber wo kann man in Mailand einen Bumerang werfen? Freie Flächen sind nicht gerade ein hervorstechendes Merkmal dieser Stadt, und in den meisten Parks hätte man ihn nach dem Werfen im nicht gesponserten Gras verloren. Doch da kam mir die rettende Idee: Wir konnten ihn nach dem ersten Wurf verlieren und wären pünktlich zum Fußballspiel wieder zu Hause. Es erwies sich als schwierig, einen geeigneten Ort dafür zu finden, und als ich schon dachte, wir würden aufgeben, schlug Adele, die außerhalb von Mailand in einem Vorort namens Rho wohnte, vor, den Park neben ihrer und Antonios Wohnung zu nehmen. »Er ist riesig«, sagte sie. »Und gut gepflegt.« Michele klatschte in die Hände, und ich fügte mich widerwillig, froh, ihm kein Didgeridoo geschenkt zu haben, denn sonst hätte ich ihm bestimmt darauf vorspielen müssen.
Am folgenden Sonntag trafen wir uns bei Adele und Antonio, bevor wir im Konvoi zum Park aufbrachen, so wie in Sizilien zum Strand. Hunderte von Eltern, Kindern und Haustieren versuchten ebenfalls, die ersten, zaghaften Sonnenstrahlen einzufangen – viel zu viele, um eine tödliche Waffe zu werfen, die – wenn überhaupt – in einem Beutel mit der Aufschrift »Beweisstück A« zurückkehren würde. Wie ein überehrgeiziger Astronaut weigerte sich Michele, das Unternehmen abzublasen, und bestand darauf zu warten, bis sich die Massen verlaufen hatten. Als es dämmerte und die Temperaturen schneller sanken, als sich die Picknickgäste verabschiedeten, beäugten meine Schüler ihren Lehrer aufmerksam. Das lange Warten hatte ihre Erwartungen nur noch steigen lassen.
»Haben ihn die Aborigines auch noch zu anderen Zwecken als zum Sport benutzt?«, fragte Michele, während er den Bumerang aus seiner Originalverpackung nahm und mir reichte.
»Sie haben ihn für die Jagd benutzt, stimmt’s, Chris?«, sagte Daniela.
» Si «, antwortete ich vage und versuchte mich an die ellenlange Gebrauchsanweisung für das verdammte Ding zu erinnern. In ihren Augen stand eine Ehrfurcht, die höchstens beim Absingen der Nationalhymne angemessen gewesen wäre.
»Für die Jagd?«, wiederholte Adele. »Was gibt’s denn heute zum Abendessen, Crris?«
Ich holte hoffnungsfroh aus und warf das gekrümmte Wurfholz geradeaus, bevor es auf die Erde plumpste und von einem Cockerspaniel erbeutet wurde.
»Das sieht mir ganz nach Spaghetti aus«, sagte Antonio. »Sollen wir wieder zu uns nach Hause gehen?«
Von nun an traf sich die Gruppe jeden Sonntag, um gemeinsam eine sogenannte Spaghettata zu sich zu nehmen – eine große Schüssel Spaghetti. Diese Hauptzutat bedeutete
Weitere Kostenlose Bücher