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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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betrachtete sie es als ihr »Zuhause«, wenn es ihr gefiel, und als »Ausland«, wenn es ihr missfiel. Was den Lebensstil anging, war sie mit Danny uneins und meinte, Italiens Charme erschließe sich eben nur Menschen, die Charme besitzen – eine Beleidigung, die Danny wortlos einsteckte. Aber für italienische Gesetzeshüter hatte Rachael nichts als beißenden Spott übrig. In zwanzig Jahren hatte man ihr sieben Autos gestohlen, eines davon sogar zwei Mal, das sie beim zweiten Mal verlassen unter einer stark befahrenen Unterführung wiederfand. »Die Polizei konnte es nicht finden, obwohl das eigentlich ihr Job gewesen wäre. Und dann entdeckte ich es ganz zufällig beim Einkaufen.«
    Die einzige Regel im Lehrerzimmer war die, dass die Tür während der Prüfungen geschlossen bleiben musste, damit kein Schüler seinen Beitrag zu den komischen Fehlern sehen konnte, die wir an die Tafel schrieben. Bestimmte Fehler waren einfach zu schön, um sie den anderen vorzuenthalten, wie zum Beispiel:
    » Leider konnte ich nicht zu deiner Party kommen, weil ich einen Furztrip in die Berge gemacht habe .« David kannte den Skilehrer gut und sagte, er habe die Antwort als richtig durchgehen lassen, weil sie womöglich der Wahrheit entsprach.
    »Meine Schwester hat bange Beine und ein blondes Haar.« Sie klingt fantastisch , hatte Danny daneben gekritzelt. » Hat sie diesen Freitagabend schon was vor?«
    »Roberto Benigni macht in die Kamera .«
    »Ich bin auch nicht gerade sein größter Fan.« Letzteres stammte natürlich von Danny.
    Alle lachten. Aber ich musste zwangsläufig an einen dicken Sizilianer denken, der seinen Freunden immer wieder von dem Idioten erzählt, der sich für eine Stunde einen Pädophilen mieten wollte, und empfand ebenso viel Mitleid wie Belustigung.

12
     
    Spaghettata am Sonntagabend
     
    N achdem sie dem heimischen Nest entflohen und nach Norden gezogen waren, gründeten die süditalienischen Freunde eine neue Familie, deren Intimität auf Abstand beruhte. Damit meine ich nicht die italienische Durchschnittsfamilie, die heute zu den kleinsten Europas gehört, sondern das Klischee der italienischen Familie schlechthin, wie man es aus Fellini-Filmen kennt: ein halbes Dutzend Leute mit Servietten um den Hals, die dicht gedrängt um einen Tisch sitzen, an ihrem Wein nippen und Spaghetti schlürfen.
    Der Sonntag ist ein heiliger Tag. Nachdem sie schon früh ihre religiösen Pflichten erfüllt haben, essen Italiener mit ihrer Familie zu Mittag, bevor sie den Abend mit Freunden verbringen. Aber wenn die Freunde zur Familie werden, gestaltet sich der Sonntag wie ein Familienfest. Aufgrund der vertrauten Gesichter aus Sizilien, jener Freunde, die das Jahr über in Mailand arbeiteten, hatten unsere norditalienischen Sonntagabende ein deutlich süditalienisches Flair. Daniela und ich speisten und tranken mit Francesco, Michele, Antonio, seiner Frau Adele, Sergio und Luisa. Wir spielten Scopa , erinnerten uns an den Sommer und planten den nächsten. Zu Zio Tonios selbst gekeltertem Weißwein, den er uns regelmäßig in recycelten Mineralwasserflaschen schickte, war die Sonntagabend-Spaghettata ein echter Lichtblick im zementgrauen Mailand.
    Jeden Sonntagabend eilten Daniela und ich zu demjenigen, der gerade dran war, die Spaghetti-Soiree auszurichten. Wenn wir an der Reihe waren, war ich genauso verdreht wie die Spaghetti, wenn die Gäste gegen halb zehn eintrafen: Ich konnte mich einfach weder an das späte Essen gewöhnen noch daran, meine Aperitifs darauf abzustimmen. Meine italienischen Freunde waren schockiert, wie viel ich trank – vor allem, als ich ihnen erzählte, dass ich wesentlich weniger Alkohol konsumierte, seit ich in Italien lebte. Und als ich sagte, dass wir in Australien eine ganze Badewanne mit Bierflaschen füllen, wenn wir eine Party geben, bestätigte ich nur ihre Vorurteile, von einer langen Reihe von Alkoholikern abzustammen.
    Wenn man nicht gerade von seinem Moped gefallen ist, gilt es in Italien als äußerst unfein, durch die Gegend zu torkeln oder zu lallen. Trinken ist vollkommen in Ordnung, aber betrunken sein nicht. Das ist eine Frage der Kultur. Da sie Wein trinken durften, seit sie alt genug waren zu fragen, was das ist, mussten meine italienischen Freunde nicht mit hängender Zunge warten, bis sie achtzehn waren, um an den verbotenen Tropfen zu kommen. Das legale Mindestalter für Alkoholkonsum ist in Italien kein Thema, die meisten Italiener kennen es nicht mal. Nicht, weil

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