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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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unsteten Lebens zum Besten gab, die sie sich nur höflichkeitshalber anhörten. Sie erwarteten ein Kind, brauchten allerdings keinerlei Hilfe bei der Namenswahl. Ihre Regierung besaß eine dermaßen einfallslose Effektivität, dass sie ihr Kind nennen konnten, wie sie wollten.
    Nach einem Jahr in Italien hatten auch meine Geschmacksknospen dazugelernt und empfanden das englische Essen als reichlich fad. Angesichts ihres in Plastik eingeschweißten Parmesankäses rümpfte ich beinahe die Nase, konnte mich aber gerade noch rechtzeitig zusammenreißen.
    Auch die Küche meiner Mutter hatte aufgrund meiner neuen Erfahrungen deutlich verloren. Vor Italien war ich ein kritikloser Esser gewesen, der alles verschlang, was man mir auftischte – Hauptsache, es war tot und heiß. Aber als Daniela und ich eine Woche im Januar auf Besuch gewesen waren, fragte ich plötzlich, was es zum Abendessen gebe. Das machte meine Mutter nervös. Sie war leere Teller und Komplimente gewöhnt, aber keine halbleeren Teller und Kritik. Das war Danielas Schuld: Indem sie mich verwöhnte, hatte sie mich auch der Küche meiner Mutter entwöhnt.
    Abgesehen davon, dass ich ein kulinarischer Snob geworden war, hatten sich meine Eltern sehr gefreut, mich zu sehen. Genauso wie mein alt gewordener Hund, der so verrückt wurde vor Freude, dass er ganz vergaß, dass die Haustür aus Glas war. Ein italienischer Glaser hätte doppelt so lange gebraucht, bis er gekommen wäre. Es tat gut, zu Hause zu sein.
    Oder vielleicht doch nicht? Meine australischen Kumpel machten mehr Aufhebens um mich als James und Jenny, wirkten aber ein wenig distanziert, wenn nicht sogar etwas misstrauisch, weil ich mich verändert hatte: Ich trug Schuhe von Prada und eine Hose von Armani. Wenn man sich modisch kleidet, passt man sich in Italien nur der Mehrheit an, aber in Australien fällt man damit auf. Die meisten Freunde waren bodenständig geworden, gründeten gerade eine Familie und machten im mittleren Management Karriere. Ich konnte meinen gesamten Besitz immer noch in einem Rucksack unterbringen. Sie redeten davon, wie teuer Sydney seit den Olympischen Spielen geworden war. Ich redete von Signor Api. Es ist schon komisch, wenn einem als Australier klar wird, dass man mehr Gemeinsamkeiten mit einem italienischen Tankwart als mit seinen Landsleuten hat.
    In England war es genau dasselbe. James schlug vor, sich nach dem Abendessen einen Film anzusehen. Also ließ ich die Fotos in meiner Tasche, meine Geschichten in meinem Kopf und machte es mir auf IKEA-Möbeln gemütlich, um mir eine ebenso vorgefertigte Hollywoodproduktion anzusehen. Was war nur mit mir los? Noch vor einem Jahr hatte ich banale Blockbuster genauso genossen wie einen Shepherd’s Pie . Damals hätte ich an der Gastfreundschaft meiner Gastgeber nicht das Geringste auszusetzen gehabt. Während ich mir halbherzig das Happy End ansah, merkte ich mit einer gewissen Traurigkeit, dass mich nicht mehr viel mit meinen alten Freunden und Interessen verband. Mein Leben auf dem Kontinent hatte mir nicht nur neue Erfahrungen beschert und meinen Horizont erweitert, sondern mir auch frühere Vergnügungen vergällt, die mir nun fremd geworden waren.
    Der Nachteil, zwei Welten gut zu kennen, besteht darin, dass man sich nirgendwo mehr ganz zu Hause fühlt. Ich war zwischen England und Australien aufgewachsen, meine Mutter stammte aus der Ukraine, meine Freundin aus Italien, und jetzt war »Zuhause« ein Wort, das ich in drei Sprachen sagen konnte, ohne zu wissen, was es eigentlich bedeutete. Der Italiener in mir vermisste etwas in England. Der Australier in mir würde in Italien stets Heimweh haben. An italienischen Stränden sehnte ich mich nach den Riesenwellen von Bondi Beach. Am Bondi Beach vermisste ich das ruhige Mittelmeer. Es war ein Privileg, beides zu kennen, aber ein Privileg ist unter Umständen auch ein Risiko.
    Es war dumm von mir, bei den Engländern nach den Vorzügen der Italiener zu suchen, genauso wie die Italiener niemals die Vorzüge von Australiern haben werden. Dass ich mich bei James und Jenny nicht mehr so wohl fühlte, war mein Fehler und nicht ihrer. Wie hatte ich mir jemals einbilden können, sie mit Geschichten zu unterhalten, zu denen sie keinerlei Bezug hatten? James würde nie verstehen, wie viel Spaß es macht, hinter der Burg von Andrano Boccia zu spielen. Genauso gut hätte ich von Francesco verlangen können, sich für ein The-Ashes-Cricket-Testmatch im Lord’s-Stadion zu begeistern.

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