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Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Siesta italiana: Meine neue italienische Familie

Titel: Siesta italiana: Meine neue italienische Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Harrison
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erkennen wird?
    Mein Flugzeug rollte an den Start. Regentropfen flohen das Fenster entlang, während die Maschine losdonnerte, bevor sie die Wolkendecke durchbrach und ihre Nase gen England wandte.
    Daniela fuhr durch ein Schlagloch auf der Straße nach Andrano, wo die Glocke wild läutete, der frühlingshaften Mittagsstunde ein Lob- und der einsamen Heimkehrerin ein Willkommenslied sang.

14
     
    Das bittersüße Leben
     
    E iner der vielen Widersprüche, der Italiener kennzeichnet, ist der, dass sie in die ganze Welt ausgewandert, aber als Reisende verloren sind. Es ist schon merkwürdig, dass geborene Improvisierer Abenteuer lästig finden und ihren Auslandsurlaub damit verbringen, nach den Annehmlichkeiten ihres geliebten belpaese zu suchen. Als Luisa einmal ins Ausland fuhr, nahm sie ihre Espressokanne mit. Daraufhin lockte der morgendliche Duft Scharen von Landsleuten vor ihr Hotelzimmer. Und Carla war es unmöglich, in New York Siesta zu halten, bis sie per Schlafbrille und Ohrstöpsel die gewohnte ländliche Ruhe wiederherstellte und sich vor dem Chaos der Großstadt rettete.
    Ich fand solche Reisebeschreibungen amüsant, bis ich mich bei ganz ähnlichen Dingen ertappte. Bevor ich nach Italien gezogen war, hätte ich auf einem Baum schlafen können. Und jetzt befand ich mich im Haus meiner englischen Freunde und wälzte mich in dem bequemen Bett hin und her, in dem ich zwei Jahre zuvor wie ein Toter geschlafen hatte. James’ und Jennys Haus hatte keine serrande – jene schweren italienischen Rollläden, die Fenster wie Augenlider verschließen. Und trotz eines Vorhangs und mehrerer Gläser Guinness, die dazu geführt hatten, dass meine Lider ebenso tief hingen wie die Wolken vor dem Fenster, hatte ich in meinem einsamen Loftzimmer eher das Gefühl, dass es zwölf Uhr mittags statt Mitternacht war.
    Nachdem ich Schäfchen gezählt hatte, bis selbst die Kühe von der Weide kamen, zog ich die Vorhänge beiseite und setzte mich im Bett auf. Vor dem Fenster lag ein perfekt gepflegter Garten. Der Rasen war frisch gemäht, und die Hecken waren exakt getrimmt worden. Dahinter sah ich eine Straße mit Mittelstreifen, der Asphalt war versiegelt, glatt und unvermüllt. Heftiger Regen ging darauf nieder, bevor er effizient ablief. So ein Regenguss würde die Straßen Andranos ruinieren und sie noch mehr erodieren als ohnehin schon. Ich legte mich wieder hin und musste an Daniela denken, wie sie mit ihrem Fahrrad durch Pfützen und Schlaglöcher fuhr. Vielleicht war sie ohne mich besser dran, schließlich deprimierten sie solche Dinge erst, seitdem ich sie darauf hingewiesen hatte.
    Für den Italiener in mir war es noch viel zu früh zum Schlafen. In Italien wären wir gerade erst losgezogen oder hätten den secondo piatto aufgetischt. Aber für den Australier in mir war es spät geworden, und in Sussex war es bis auf den Regen, der auf das Dach trommelte, mucksmäuschenstill. Ich war einerseits müde, andererseits hellwach. Ich wusste nicht recht, ob ich an Schlaflosigkeit oder Schizophrenie litt. Ich machte das Licht an und versuchte, in meinem Buch zu lesen, aber die Geschichte der sizilianischen Mafia mit dem Titel Die Richter. Der Tod, die Mafia und die italienische Republik war ein ziemlich blutrünstiges Schlaflied.
    Obwohl ich nicht schlafen konnte, war ich dankbar, dass meine Gastgeber früh zu Bett gegangen waren, da der Abend ein wenig zäh verlaufen war. Schon als sie mich vom Flughafen abholten, merkte ich, dass sich unsere Freundschaft verändert hatte. Ich hatte ein großes Willkommenskommittee wie auf Sizilien erwartet. Stattdessen wurde ich per Handschlag und mit einem Lächeln begrüßt. Nett, aber nicht nett genug. Ein Handschlag bezeugte für mich nicht mehr die Freuden einer wiedergewonnenen Freundschaft, also umarmte ich James, der das widerwillig über sich ergehen ließ. Hätte ich ihn an mich gedrückt – er hätte mir bestimmt eine gewischt. Ich war es gewohnt, wie ein heimkehrender Kriegsheld begrüßt zu werden – und nicht wie ein Reisender, der ein Bett für die Nacht braucht.
    Ich hatte erwartet, so viel zu erzählen zu haben, dass ich den Koffer wie in Sizilien erst am nächsten Morgen aus dem Wagen holen würde. Aber das Erste, was James und Jenny taten, war, mir mein Zimmer zu zeigen und mir zu erklären, wie man heißes Wasser spart. Die Unterhaltung beim Abendessen war ähnlich anstrengend gewesen. Sie sprachen über ihre Arbeit und ihre Hypotheken, während ich Geschichten meines

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