Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
für wichtig hält, damit da überhaupt keine Fragen aufkommen. Der Mann ist klug und erste Sahne, aber sein Gerät reicht mir nicht. Ich habe ihm gesagt, dass du das privat für die Kommission erledigst, also um Gottes willen nicht so spielen, als wärst du ein Kriminaler. Wir nehmen den Toten in einer halben Stunde runter, du hast also nicht viel Zeit. Du verwendest auch später keines der Fotos, die du schießt. Keines! Ich habe sowieso ein Scheißgefühl bei dieser Sache. Wenn auch noch herauskäme, dass du ein Journalist bist, könnte das für mich richtig ungemütlich werden. Der Chef der Aachener ist ein alter Fuchs und gut, also um Gottes willen keine Antipathien entwickeln. Was er sagt, gilt unter allen Umständen. Sein Name ist Rainer Wessel, ich bin nur zur schnellen Hilfe hier. Er ist ein kleiner, dicklicher Mann, der den Eindruck macht, als sei er harmoniebedürftig. Aber das ist Maskerade. Du, Rodenstock, wirst offiziell von mir gebeten, herumzulaufen und kritische Punkte einzusammeln. Du kannst also hier offiziell mit einem Notizblock herumrennen. Wenn die Fernsehleute und die anderen der Printmedien herausfinden, dass Baumeister für die Presse und für die Bullen unterwegs ist, wird es Zoff geben, und genau das will ich vermeiden.«
»Eine Frage habe ich aber«, sagte Rodenstock ganz gemütlich, als gehe es hier um einen Liederabend mit dem Männergesangverein. »Habt ihr irgendwelche Verletzungen an dem Toten entdeckt?« Er schnaufte immer noch vom steilen Abstieg durch die Schneise.
»Bisher keine. Die ganze Geschichte ist sehr nebulös und reicht von Selbstmord bis Mord. Also, macht euch auf die Socken.« Damit ließ er uns stehen und ging zurück zu den Frauen und Männern, die ständig herumrannten, dauernd in Bewegung waren und in einem scheinbaren Chaos arbeiteten.
Aber ich wusste aus Erfahrung, dass dieses Chaos keines war, dass jeder von ihnen sehr gezielt vorging, und dann ein wichtiges Teilchen des Gesamtbildes liefern konnte. Es waren sicherlich zehn Frauen und Männer, und daraus war eindeutig zu ersehen, dass man zu Mord tendierte und nicht zu einer erklärbaren Harmlosigkeit.
Ich marschierte also zu den Eichen und wurde dauernd mit »Guten Tag, Kollege« begrüßt, was eine vollkommen neue Erfahrung war, die mich auf das Äußerste erheiterte.
Dann stand ich vor Roland Major und stellte mich vor. Er war ein freundlicher Mann, und er war sehr sicher ein Mann mit vielen, einschlägigen Erfahrungen von vielen Tatorten. Ungefähr einssiebzig groß, mit einer kleinen, soliden Wampe. Sein Gesicht war rundlich unter den weißen Haaren, sonnengebräunt und mit tausend Falten um die Augen ausgestattet. Wahrscheinlich lachte er gern.
»Sie kommen mit dem großen Geschütz«, sagte er. »Danke für Ihre Hilfe. Schauen Sie sich unseren Kandidaten in Ruhe an, er läuft uns nicht mehr weg. Und meine besonderen Wünsche sage ich Ihnen dann, wenn Sie mir gesagt haben, was Sie bei diesem Anblick denken.«
»Zunächst verwirrt es mich. Diese Leiter ist wahrscheinlich von Ihnen?«
»Ja, sicher. Die ist von uns. Da ist der Doktor schon x-mal rauf und runter. Und ich schon zwanzigmal. Verwirrung sagen Sie, die Empfindung teile ich.«
»Kann er es überhaupt selbst inszeniert haben?«
»Kann er, meiner Meinung nach, nicht. Sehen Sie den dicken Strick, mit dem er am Stamm gehalten wird? Ich denke, den kann er nicht selbst angebracht haben, denn dann hätte er den Strick um den Stamm werfen müssen, um ihn auf der anderen Seite aufzufangen. Und genau das geht nicht, weil erstens der Stamm zu dick ist und zweitens, weil auf der anderen Seite des Stammes ein anderer dicker Ast in der gleichen Höhe ein solches Manöver verhindert hätte.«
»Kann es Ihrer Meinung nach trotzdem ein Selbstmord sein?«, fragte ich.
»Ja«, er nickte bedächtig. »Aber dann hat er jemanden gebeten, ihm zu helfen. Und weil ich bei einer seiner Befragungen dabei war, würde ich sagen, dass er der Typ war, dem ich einen Selbstmord überhaupt nicht zutraue …«
»Auch nicht unter Drogen?«
»Unter Drogen vielleicht. Aber er war wiederum kein Typ, der Drogen nimmt. Als bei der Befragung ein Kollege sich erkundigte, ob er jemals Erfahrung mit Drogen hatte, antwortete er: >Ja, als Sechzehnjähriger habe ich einmal Hasch geraucht, aber davon wurde mir schlecht.< Ich war dabei, das klang sehr glaubhaft.«
»Was trägt er da eigentlich?«
»Das ist eine lange Bahn aus einem dunkelgrauen Stoff, in der in der Mitte ein Loch
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