Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher
heulte und wie besessen zwischen und unter den Tischen herumraste. Das Durcheinander benutzte ich, um rasch zu verduften, ja, ich zog es sogar vor, einen Spurt hinzulegen, um aus der Gefahrenzone zu entkommen und in eine ruhigere Seitenstraße zu gelangen. Plötzlich blieb ich wie angenagelt stehen, denn einige Meter vor mir verließ gerade der Alte mit grauem Schnurrbart, Schlapphut und Ledertasche ein Haus und betrat kurz danach das nächste.
Endlich hatte ich ihn entdeckt! Doch nun wußte ich nicht, wo Patin Berta und Onkel Eduard waren, die mich am Café abholen wollten! Na ja, dachte ich, irgendwie werden wir einander schon wieder treffen. Ich duckte mich hinter ein parkendes Auto, denn dieser Charly durfte mich ja nicht sehen, wartete darauf, daß er wieder erschien und im nächsten Gebäude verschwand, huschte in einen Flur, um ihn von dort aus zu beobachten, kroch hinter eine Vorgartenmauer... und verfolgte ihn auf diese Weise bis zum Abend, der grau über die rußgraue Stadt herniedersank.
Zwar war mein Hunger gestillt; aber die Müdigkeit machte mir immer mehr zu schaffen, denn es passierte nichts Aufregendes, da sich der Alte ganz normal verhielt. Es gibt Leser, die meinen, daß die Lösung eines Kriminalfalles etwas ungeheuer Spannendes wäre, und sie bedenken nicht, daß ein Detektiv oft Stunden und Tage damit verbringen muß, jemand zu beschatten, von dem er nicht einmal weiß, ob er der wirkliche Verbrecher ist. Das erfordert viel Geduld, aber Geduld besitzt ein zwölfjähriger Junge wie ich nicht viel. Lieber unternehme ich etwas, als bloß herumzuhocken und auf etwas zu warten, was ich selber nicht genau weiß.
Doch ich gab nicht auf, denn immerhin schien der Alte ein Hausierer zu sein, was meinen Verdacht verstärkte, und viele Merkmale stimmten mit denen Charlys und des Räubers überein. Auch er machte ein gelangweiltes Gesicht und gähnte, wenn er von einem Haus zum anderen tappte, woraus ich schloß, daß er wohl bald damit aufhören würde. Ich hatte keine Ahnung, was ich dann allein unternehmen sollte.
Um so glücklicher war ich, als endlich Patin und Onkelchen die Straße herunterschritten. Sie machten grimmige Gesichter. Sicher hatte der Konditor ihnen mit vielen Übertreibungen erzählt, was in dem Café vorgefallen war. Doch ich ließ sie erst gar nicht mit den Vorwürfen anfangen, sondern legte den Finger über die Lippen, um anzudeuten, daß sie still bleiben sollten.
„Ich habe ihn erwischt!“ flüsterte ich.
„Wo ist er?“ zischte Onkel.
„Gleich wird er das Haus dort verlassen.“
„Endlich!“ seufzte meine Patin.
„Was tut er?“ fragte Onkel.
„Er hausiert.“
„Dann muß er es sein.“
Wir versteckten uns hinter einem Auto und beobachteten durch die Scheiben, wie er das Haus verließ, mißmutig abwinkte, als ob er zu sich selber sagen wollte, daß etwas nicht geklappt hätte, und dann die Straße hinablief. Wir folgten ihm in größerem Abstand...
Kapitel 11
P atin Berta und ich saßen bereits in der Bahnhofshalle. Wir hatten die Abkürzung durch eine schmale Unterführung genommen, die nur Einheimischen bekannt ist, als wir merkten, welche Richtung er wählte. Nur Onkel Eduard beschattete ihn weiter. Von einer dunklen Ecke aus beobachteten wir, wie er zur Gepäckaufbewahrung schlurfte und seinen Koffer einlöste.
„Er wird wohl im Hotel zur Glocke übernachten“, flüsterte Onkelchen.
„Woher nimmst du diese Weisheit?“ tuschelte die Patin.
„Er ist eben an der Rezeption gewesen.“
„Was unternehmen wir?“
„Du wirst ihn dahin verfolgen.“
„Und dann?“
„Du wirst auch ein Zimmer mieten, möglichst in seiner Nähe.“
„Und ihr?“
„Wir kommen in einer halben Stunde nach.“ Stöhnend erhob sich Patin Bertalein und wanderte hinter dem mutmaßlichen Charly zurück in die abendliche Stadt, während wir die Beine wegstreckten und uns ausruhten. Er durfte nicht den Eindruck kriegen, verfolgt zu werden, was leicht möglich gewesen wäre, hätte er mehrmals die gleichen Personen hinter sich bemerkt. Das erklärte mir Onkel Eduard, der so verrückt war wie ein Hund, wenn er einen Braten riecht und nicht an ihn herankommt. Sein ganzer Lebensinhalt ist ja die Bekämpfung von Verbrechern, seit er nicht mehr als Prokurist in einer Firma arbeitet.
Er machte ein wichtiges Gesicht, ließ die dicke Unterlippe herabhängen und wackelte mit den abstehenden Ohren, weil er etwas überlegte. Man muß sich als Detektiv einen schlauen Plan
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