Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher
austüfteln, da die Ganoven auch gerissen sind und ihre grauen Zellen im Kopf funktionieren lassen.
„Wie viele hast du schon geschnappt?“
„Über hundert“, sagte er.
„Fürchtest du dich nicht?“
„Manchmal schon.“
„So ein Lump könnte dich umlegen.“
„Mancher hat’s probiert.“
„Und wenn es einem gelingt?“
„Na ja.“
„Dann bist du für immer tot!“
„Na ja“, sagte er. „Ich bin nicht der jüngste, und das Totsein muß ohnehin jeder mal ausprobieren. Aber leben ist schwierig. Man tappt nämlich leicht in die falsche Richtung. Und wenn man am Ziel ankommt und merkt, daß es ein falsches Ziel ist, ärgert man sich kaputt.“
„Wie kommt das?“ fragte ich.
„Man will sich doch am Ende des Lebens sagen können, daß man ein Bombenkerl gewesen ist und nicht so ein erbärmlicher Spießer. Natürlich lachen die anderen über jeden, der nicht so ein Duckmäuser ist wie sie, sondern etwas Besonderes erreichen will, wie zum Beispiel ein Künstler oder ein Urwaldforscher oder drei Detektive wie wir. Und sie versuchen ihn davon abzubringen.“
„Warum bloß?“
„Weil sie ihn für verrückt halten, wenn er nicht den Penunzen hinterherrennt und abends hinter der Theke seinen dicken Bierbauch füllt.“
„Vielleicht aber auch aus Neid“, sagte ich. Onkel Eduard nickte. „Natürlich! Im Innern wissen sie nämlich ganz genau, daß sie ihr Leben verpfuschen, während der, über den sie so laut lachen, auch ohne ihren Applaus glücklich ist.“
Eine Weile hockten wir noch in unserer Ecke und schauten um uns herum. In einem Bahnhof befinden sich meistens interessante Leute wie zum Beispiel die beiden Penner, die einige Lieder grölten und dazu tanzten, bis sie von einem Bahnpolizisten hinausgeschmissen wurden, obwohl sie niemand etwas getan hatten.
Strups schaute sich den Krawall mit müden Augen an und kroch dann wieder zurück unter die Jacke. Vielleicht dachte er, wie blöd die Menschen sind, wenn sie schon bei einem Liedchen böse werden.
Dann spazierten wir zu diesem Hotel. Es war dunkel geworden, und ein kalter Wind blies uns um die Ohren. Laternen leuchteten, bunte Reklameschriften glänzten, und Fenster schimmerten gelb, hinter denen die Leute zu Abend aßen in warmen Stuben und heißen Tee dazu tranken. Onkelchen sagte nichts mehr, weil er vielleicht auch müde geworden war, und erwiderte nur manchmal einen Gruß.
„Ah, Herr Brummer!“ sagte die ältere Dame an der Rezeption und lächelte freundlich.
„Hatten Sie noch ein Zimmer frei?“ fragte Onkelchen.
„Nummer siebenundvierzig.“
„Und meine Gattin?“
„Sie ist bereits oben.“
Onkel Eduard machte eine Verbeugung und ich auch, weil das Hotel so fein war und ich ein bißchen weltmännisch erscheinen und
meine Verwandten nicht blamieren wollte. Dann schritten wir über Teppiche zur Treppe, die auch mit Teppichen belegt war, und stiegen hinauf ins vierte Stockwerk. Dort wanderten wir durch einen Flur und lasen die Nummern, bis wir unser Zimmer fanden. Onkel klopfte an die Tür und wartete auf ein „Herein“. Als aber nichts geschah, öffneten wir leise, gingen auf Zehenspitzen hinein und wunderten uns, daß Patin Berta nicht zu sehen war, obwohl das Licht brannte und ein Schuh von ihr auf dem Boden lag.
„ Bertalein !“ flüsterte Onkel.
„Vielleicht mußte sie mal“, flüsterte ich.
„ Bertalein !“
Dann entdeckten wir sie auf dem Bett, alle viere von sich gestreckt und... wie ein Murmeltier schlafend.
„ Bertalein !“ rief Onkel wieder und streichelte ihre Hand.
Da fuhr sie erschrocken hoch und starrte uns verwundert und ein bißchen verwirrt an.
„Wo ist Charly?“ fragte Onkel.
„Nebenan“, stöhnte sie und ließ sich wieder ins Kissen fallen.
„Welche Nummer hat sein Zimmer?“
„Achtundvierzig.“
Da sprangen auch wir auf die Betten und legten uns kreuz und quer darüber. Onkelchen kitzelte Patin Berta an den Fußsohlen und danach in den Kniekehlen, bis sie das Lachen nicht mehr zurückhalten konnte und ihm eine Schlummerrolle über die Birne knallte, worauf sich eine herrliche Kissenschlacht entwickelte, bei der jeder gegen jeden kämpfte.
Sie war stärker als er und wickelte ihn in eine Federdecke. Er wäre fast erstickt, wenn ich ihm nicht geholfen und ihr ein Leintuch übergezogen hätte, unter dem sie wie ein Gespenst zappelte und quiekte, so daß ich Sieger wurde.
Wir schnauften von der Anstrengung und lagen noch eine Weile auf dem verwüsteten Bett. Onkel
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