Sigma Force 01 - Sandsturm
verriegelt.
Einige Minuten lag sie noch bewegungslos da. Ihre Gedanken wanderten ziellos umher, sie war noch halb betäubt von der Droge, die man ihr verabreicht hatte. Dennoch legte sich Panik um ihr Herz. Sie war allein, gefangen. Die anderen tot. Sie sah Flammen in der Nacht, reflektiert von sturmgepeitschtem Wasser. Die Erinnerung hatte sich ihr eingebrannt wie ein Kamerablitz in der Dunkelheit. Alles rot, schmerzhaft, zu hell, um es wegzublinzeln. Es schnürte ihr die Kehle zusammen und nahm ihr den Atem. Sie wollte schreien, konnte aber nicht. Wenn sie jetzt anfing, könnte sie nie mehr aufhören.
Schließlich stemmte sie sich hoch und schwang die Füße auf den Boden. Sie schaffte es nur, weil der Druck in ihrer Blase sie dazu drängte. Ein körperliches Bedürfnis, eine Erinnerung daran, dass sie noch lebte. Unsicher stand sie da, eine Hand an die Wand gestützt. Die Steine waren angenehm kühl.
Sie starrte zu dem vergitterten Fenster hoch. Nach der Hitze und dem Winkel des Lichteinfalls zu urteilen, musste es kurz vor Mittag sein. Aber welcher Tag? Wo war sie? Sie roch Meer und Sand. Noch in Arabien, da war sie sich sicher. Sie durchquerte das Zimmer. Der Druck in ihrer Blase wurde stechender.
Sie humpelte zur Tür, hob einen Arm. Würde man sie noch einmal betäuben? Sie betastete den violetten Fleck in ihrer Ellenbeuge, wo die Nadel ihr ins Fleisch gedrungen war. Sie hatte keine andere Wahl. Der Drang war stärker als die Vorsicht. Sie hämmerte gegen die Tür und rief heiser: »Hallo? Kann mich jemand hören?«
Niemand antwortete.
Sie klopfte fester, bis ihr die Knöchel schmerzten und ihr ein Stich zwischen die Schulterblätter fuhr. Sie war schwach, dehydriert. Hatte man sie hier zum Sterben zurückgelassen?
Schließlich waren Schritte zu hören. Eine schwere Stange schabte an Holz. Die Tür ging auf. Derselbe Mann wie zuvor stand vor ihr. Beinahe zwanzig Zentimeter größer als sie, ragte er in schwarzem Hemd und abgenutzter, ausgewaschener Jeans vor ihr auf. Überrascht stellte sie fest, dass sein Schädel rasiert war. Daran konnte sie sich nicht erinnern. Nein, beim letzten Mal hatte er eine schwarze Kappe getragen. Die einzige Behaarung auf seinem Kopf waren die Augenbrauen und ein kleines Bärtchen am Kinn. Aber diese Augen hatte sie nicht vergessen, blau und kalt, unergründlich und leidenschaftslos.
Sie zitterte, als er sie anstarrte, plötzlich war die Hitze aus der Kammer verschwunden.
»Sie sind wach«, sagte er. »Kommen Sie mit.«
Sie hörte den Anflug eines australischen Akzents, der allerdings von Jahren fern der Heimat abgeschwächt worden war. »Wo … ich muss auf die Toilette.«
Er runzelte die Stirn und marschierte los. »Folgen Sie mir.«
Er führte sie zu einem kleinen Badezimmer. Es hatte eine Kauertoilette, eine Dusche ohne Vorhang und ein kleines Waschbecken mit tropfendem Hahn. Safia schlüpfte hinein. Sie legte die Hand an die Tür, wusste allerdings nicht, ob man ihr so viel Privatsphäre zugestehen würde.
»Beeilen Sie sich«, sagte er und schob die Tür zu.
Als sie allein war, suchte sie das Bad nach einer Waffe, einer Fluchtmöglichkeit ab. Auch hier war das einzige Fenster vergittert. Doch wenigstens konnte sie durch dieses hinaussehen. Sie lief hin und schaute hinunter auf eine kleine Stadt direkt am Meer. Palmen und weiße Gebäude breiteten sich von hier bis zum Ufer aus. Etwas weiter links deuteten regenbogenfarbene Planen und Markisen auf einen Suk hin. Und in der Ferne, außerhalb der Stadtgrenzen, markierten grüne Flecken Bananen-, Kokosnuss-, Zuckerrohr- und Papayaplantagen.
Sie kannte diesen Ort.
Die Gartenstadt von Oman.
Salalah.
Es war die Hauptstadt der Provinz Dhofar, das ursprüngliche Ziel der Shabab Oman. Es war eine fruchtbare Region, grün und mit Wasserfällen und Flüssen, die die Weiden bewässerten. Nur in diesem Teil von Oman bescherten die Monsunwinde dem Land Regengüsse, ein regelmäßiges leichtes Nieseln und einen fast beständigen Nebel über dem nahen Küstengebirge. Es war ein Klimasystem wie kein anderes im Golf, eins, das den Anbau der seltenen Weihrauchbäume erlaubte, in alten Zeiten eine Quelle großen Wohlstands. Die Reichtümer hier in dieser Gegend hatten zur Gründung der legendären Städte Sumharam, Al-Balid und schließlich des versunkenen Ubar geführt.
Warum hatten die Entführer sie hierher gebracht?
Sie ging zur Toilette und erleichterte sich. Danach wusch sie sich die Hände und schaute in den Spiegel.
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