Sigma Force 01 - Sandsturm
sehen, wie ihm angesichts ihrer schnippischen Vorstellung die Röte in die Wangen stieg. Sie nahm an, dass dem jungen Mann dergleichen nicht so häufig passierte. Die drei verbrachten den Nachmittag gemeinsam, diskutierten über das aktuelle Geschehen in Arabien und zu Hause und über arabische Geschichte. Kara ging vor Sonnenuntergang, da sie zu einem frühen Geschäftsessen in die örtliche Handelskammer musste, aber nicht, ohne zuvor Dr. Dunn zu versprechen, ihm bei seiner Expedition behilflich zu sein.
»Ich schätze, ich schulde Ihnen zumindest ein Abendessen«, sagte er danach.
»Und ich schätze, ich muss die Einladung annehmen.«
An diesem Abend genossen sie ein entspanntes gemeinsames Mahl aus über Holzfeuer gegrillter Königsmakrele und rukhal , gewürztem Brot. Sie redeten, bis die Sonne im Meer versank und der Himmel sich mit Sternen füllte.
Das war ihr erstes Rendezvous. Das zweite sollte erst sechs Monate später stattfinden, weil man Omaha im Jemen wegen des Betretens eines muslimischen Heiligtums ohne Genehmigung ins Gefängnis gesteckt hatte. Trotz dieses juristischen Rückschlags sahen sie sich von da an immer wieder, auf vier der sieben Kontinente. An einem Weihnachtsabend war er dann im Haus seiner Familie in Lincoln, Nebraska, vor ihr auf die Knie gesunken und hatte sie gebeten, seine Frau zu werden. Sie war noch nie glücklicher gewesen.
Doch einen Monat später änderte sich alles in einem einzigen grellen Blitz.
Vor dieser letzten Erinnerung schreckte sie zurück. Nun endlich stand sie von ihrem Schreibtisch auf, um den Kopf wieder klar zu bekommen. Es war zu stickig in ihrem Büro. Es wäre gut, eine Brise auf dem Gesicht zu spüren, sogar die feuchte Kühle des Londoner Winters. Sie holte ihren Mantel und schloss ab.
Safias Büro lag im ersten Stock. Die Treppe zum Erdgeschoss befand sich am anderen Ende des Flügels, in der Nähe der Kensington Gallery, was bedeutete, dass sie noch einmal am Schauplatz der Explosion vorbeimusste. Sie hatte keine große Lust darauf, aber auch keine andere Wahl.
Sie ging den langen dunklen, nur hin und wieder von roten Notlampen beleuchteten Gang entlang. Normalerweise genoss sie das leere Museum. Nach dem geschäftigen Treiben des Tages war dies eine friedliche Zeit. Oft schlenderte sie durch die versperrten Galerien, schaute sich Vitrinen und Präsentationen an und ließ sich vom Gewicht der Geschichte trösten.
Nicht mehr. Nicht heute Nacht.
Ventilatoren auf hohen Stativen standen wie Wachtürme im gesamten Nordflügel, sie surrten und ratterten laut und versuchten vergeblich, den Gestank nach verkohltem Holz und verbranntem Plastik zu vertreiben. Auf dem Boden standen Heizlüfter mit kreuz und quer sich schlängelnden orangefarbenen Kabeln herum, die Gänge und Galerien austrocknen sollten, nachdem man den Großteil des rußigen Wassers abgepumpt hatte. Dadurch wurde es drückend schwül im Gang, wie in der feuchten Hitze der Tropen. Die Reihe der Ventilatoren konnte dagegen kaum etwas ausrichten.
Ihre Absätze klapperten über den Marmorboden, während sie an den Galerien mit den verschiedenen ethnographischen Sammlungen des Museums vorbeiging: keltisch, russisch, chinesisch. Die Explosionsschäden wurden schlimmer, je näher sie ihrer eigenen Galerie kam: rauchfleckige Wände, Absperrbänder der Polizei, Haufen zusammengekehrter Putzbrocken, Glassplitter.
Als sie am Eingang zur ägyptischen Abteilung vorbeikam, hörte sie hinter sich ein gedämpftes Klirren, wie von zerbrechendem Glas. Sie blieb stehen und blickte sich um. Kurz meinte sie, in der byzantinischen Galerie ein Licht flackern zu sehen. Sie starrte lange in diese Richtung. Doch die Öffnung blieb dunkel.
Sie kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Seit Beginn ihrer Attacken hatte sie Probleme, echte Gefahren von eingebildeten zu unterscheiden. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und die Haare auf ihren Armen stellten sich auf, als der Luftzug von einem in der Nähe asthmatisch rasselnden Ventilator darüber strich.
Nur die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos, sagte sie sich. Sie schluckte und drehte sich um. Da sah sie im Gang vor der Kensington Gallery eine dunkle Gestalt lauern.
Sie taumelte ein paar Schritte zurück.
»Safia?« Die Gestalt hob eine Stablampe und schaltete sie ein. Der helle Strahl blendete sie. »Dr. al-Maaz?«
Sie seufzte erleichtert auf und eilte auf die Gestalt zu. »Ryan …« Es war Ryan Fleming, der Sicherheitschef. »Ich dachte, Sie wären
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