Sigma Force 01 - Sandsturm
hatten sie den Bericht über den Misserfolg in Maskat sicher schon erhalten. Die Details über die merkwürdige Beduinenfrau, die einfach verschwunden war, hatte sie ausgelassen. Ihr Bericht war so schon niederschmetternd genug. Zum zweiten Mal war es ihr nicht gelungen, das Artefakt in die Hände zu bekommen.
Die Stimme, die sich meldete, klang mechanisch, man hatte sie um der Anonymität willen synthetisiert. Obwohl Modulation und Tonfall überdeckt waren, wusste sie, wer sprach. Der Anführer der Gilde, der den schlichten Codenamen »Minister« trug. Es wirkte wie eine törichte, allzu klischeehafte Vorsichtsmaßnahme, aber die Gilde war aufgebaut wie eine Terroristenzelle. Die einzelnen Teams erfuhren voneinander nur, was sie unbedingt wissen mussten, jedes hatte eine unabhängige Führung und war nur der nächsthöheren Befehlsebene verantwortlich. Persönlich kennen gelernt hatte sie den Minister noch nicht, nur drei Leute hatten das je, die drei Lieutenants, die das Aufsichtsgremium leiteten. Sie hoffte, eines Tages eine solche Position zu erreichen.
»Grauer Führer«, sagte die unheimliche synthetisierte Stimme und benutzte ihren Codenamen für diese Operation. »Missionsparameter wurden geändert.«
Cassandra erstarrte. Der Zeitplan war ihr praktisch ins Hirn geätzt. Es würde absolut nichts schief gehen. Sie würden die Dieselmotoren der Shabab in die Luft jagen, und das wäre das Signal für einen Beschuss durch die Jetski-Mannschaften. Ein Stoßtrupp würde folgen, die Mannschaft der Shabab erledigen und jegliche Kommunikation unterbrechen. Hatten sie das eiserne Herz erst einmal in Händen, würden sie das Schiff sprengen und versenken. »Sir? Der Aufmarsch ist in vollem Gange. Alles läuft bereits.«
»Improvisieren Sie«, entgegnete die mechanische Stimme. »Sichern Sie nicht nur das Artefakt, sondern auch die Museumskuratorin. Ist das verstanden?«
Cassandra schluckte ihre Überraschung herunter. Es war kein einfacher Befehl. Das ursprüngliche Ziel – die Beschaffung des eisernen Artefakts – hatte keine Parameter zum Schutz der Passagiere an Bord der Shabab Oman erfordert. Ursprünglich war nur ein brutaler Überfall geplant. Schonungslos, blutig und schnell. Schon jetzt ging sie im Kopf die Änderungen durch. »Darf ich fragen, wozu wir die Kuratorin brauchen?«
»Sie könnte sich in Phase zwei als nützlich erweisen. Unser ursprünglicher Experte für die arabische Frühgeschichte hat sich als … unkooperativ erwiesen. Und Zweckdienlichkeit ist gleichbedeutend mit Erfolg, wenn wir die Quelle dieser Energie entdecken und sicherstellen wollen. Jede Verzögerung bedeutet Misserfolg. Wir dürfen so leicht verfügbares Fachwissen nicht vergeuden.«
»Jawohl, Sir.«
»Berichten Sie, wenn Sie Erfolg hatten.« Eine leichte Drohung lag in diesen letzten Worten. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Sie ließ das Telefon sinken.
John Kane wartete ein paar Schritte entfernt.
Cassandra drehte sich zu ihm um. »Planänderung. Informieren Sie Ihre Männer. Wir gehen selber als Erste rein.« Sie schaute zum Fenster der Brücke hinaus. In der Distanz funkelte das mit Lichtern geschmückte Schiff wie ein Haufen feuriger Juwelen.
»Wann starten wir?«
»Sofort.«
01:42
Painter klopfte an die Kabinentür. Er kannte den Grundriss der Zimmer hinter dieser reich verzierten Tür aus schottischer Eiche. Es war die Präsidentensuite, eigentlich für Machthaber und Industriemagnaten reserviert, jetzt aber das Domizil von Lady Kara Kensington. Nachdem er vor einigen Stunden an Bord gegangen war, hatte Painter sich Informationen und Aufrisszeichnungen über die Shabab Oman aus dem Internet heruntergeladen.
Man sollte sein Terrain kennen, auch wenn es sich auf hoher See befand.
Ein Kabinensteward öffnete die Tür. Der nur etwa einen Meter fünfzig große Mann trat mit der Würde eines viel Größeren auf. Er war ganz in Weiß gekleidet, von der kleinen Kappe bis zu den Sandalen. »Dr. Crowe«, begrüßte er ihn mit einer leichten Verbeugung. »Lady Kensington erwartet Sie bereits.«
Der Mann drehte sich um und bedeutete Painter, ihm zu folgen. Durch einen Vorraum gelangten sie in den Salon. Der große Raum war schlicht, aber elegant ausgestattet. Ein großer, antiker marokkanischer Schreibtisch bildete zusammen mit verglasten Bücherregalen einen abgetrennten Arbeitsbereich. In der Mitte des Raums standen zwei üppig gepolsterte Sofas, blau wie die Farben der königlichen britischen Truppen, flankiert
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