Sigma Force 02 - Feuermönche
Zeit sprach Kenny davon, nach Cupetino in Kalifornien umzuziehen. Er konnte gute Gründe für diesen Schritt vorbringen, doch Gray wusste, was wirklich dahinter steckte. Sein Bruder wollte vor all dem hier flüchten. Diesen Beweggrund konnte Gray zumindest nachvollziehen. Er hatte das Gleiche getan, indem er zur Army gegangen war. Das lag offenbar in der Familie.
Seine Mutter gab ihm das Gurkenglas zum Öffnen. » Wie läuft es so im Labor? «
» Alles prima «, sagte er. Er drehte den Deckel ab, fischte eine Gurke heraus und legte sie auf den Teller.
» Ich hab gerade von Budgetkürzungen bei der DARPA gelesen. «
» Mein Job wackelt nicht «, versicherte er ihr. Seine Eltern wussten nichts von seiner Arbeit bei Sigma. Sie glaubten, er forsche fürs Militär. Ihnen fehlte die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, deshalb durfte er sie nicht einweihen.
Mit dem Teller in der Hand wandte Gray sich zur Hintertür.
Seine Mutter sah ihn an. » Er wird sich freuen, wenn er dich sieht. «
Wenn ich das nur von mir sagen könnte …
Gray ging zum Werkzeugschuppen. Aus der offenen Tür schallte ihm das Gitarrengeklimper eines Country-Senders entgegen. Es weckte wenig erfreuliche Erinnerungen.
» Pa «, sagte er.
Sein Vater richtete sich auf und drehte sich um. Er war ebenso groß wie Grayson, aber stämmiger gebaut, mit breiteren Schultern und kräftigerem Rücken. In seiner Collegezeit hatte er auf den Ölfeldern gejobbt und einen guten praktischen Abschluss als Erdöltechniker erworben. Bis ihm bei einem Unfall das linke Bein am Knie abgetrennt worden war, hatte er erfolgreich in der Branche gearbeitet. Die Abfindung hatte es ihm erlaubt, mit siebenundvierzig in den Ruhestand zu gehen.
Das war fünfzehn Jahre her.
Die Hälfte von Graysons Leben. Die schlechte Hälfte.
» Gray? «, sagte sein Vater. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und verschmierte dabei Sägemehl. Auf seiner Stirn bildete sich eine Falte. » Du hättest nicht extra hier herauskommen brauchen. «
» Wie sollte ich dir denn sonst die Sandwiches bringen? « Er hob den Teller hoch.
» Hat deine Mutter die gemacht? «
» Du weißt doch, wie sie ist. Sie hat sich wirklich Mühe gegeben. «
» Dann sollte ich das wohl besser essen. Ich will sie schließlich nicht enttäuschen. «
Er stieß sich von der Werkbank ab und humpelte zu eine m k leinen Kühlschrank an der Rückwand des Schuppens. » Ei n B ier? «
» Ich muss gleich wieder zurück Arbeit. «
» Ein Bier wird dir nicht schaden. Ich hab Sam Adams, das magst du doch. «
Sein Vater bevorzugte Budweiser und Coors. Dass er Sam Adams im Kühlschrank verwahrte, bedeutete etwa so viel wie ein Schulterklopfen. Vielleicht sogar eine Umarmung.
Das konnte er nicht abschlagen.
Gray nahm die Flasche entgegen und öffnete sie mit dem in die Werkbank eingelassenen Verschluss. Sein Vater kam herüber und lehnte sich mit der Hüfte gegen einen Hocker. Er hob seine Budweiser-Flasche. » Altwerden ist echt scheiße … aber es bleibt einem immer noch das Bier. «
» Du sagst es. « Gray nahm einen tiefen Schluck. Er war sich nicht sicher, ob es gut war, Alkohol zu trinken, wenn man Kodein im Blut hatte – andererseits war es ein langer, langer Morgen gewesen.
Sein Vater musterte ihn. Das Schweigen drohte peinlich zu werden.
» Dann findest du also nicht mehr allein nach Haus «, sagte Gray.
» Verfluchter Mist «, erwiderte sein Vater mit gespieltem Zorn, gemildert durch ein Grinsen und ein Kopfschütteln. Offene Worte schätzte er. Immer frei von der Leber weg , wie er zu sagen pflegte. » Zumindest hab ich nichts Schlimmes angestellt. «
» Du musst immer wieder auf meine Haft in Leavenworth zurückkommen. Die vergisst du nicht! «
Ihre Blicke trafen sich. Unter dem Geplänkel war etwas verborgen, das er bei seinem Vater bisher nur selten gespürt hatte. Angst.
Es war ihnen nie leicht gefallen, miteinander auszukomen. Nach dem Unfall hatte sein Vater zu trinken begonnen und war wiederholt in Depressionen verfallen. Für einen Ölmann aus Texas war es schwer, zum Hausmann zu werde n u nd zwei Jungen großzuziehen, während seine Frau arbeiten ging. Zum Ausgleich hatte er den Haushalt wie ein militärisches Ausbildungslager geführt. Und Gray hatte ständig aufbegehrt, der geborene Rebell.
Bis Gray mit achtzehn einfach mitten in der Nacht seine Sachen gepackt hatte und zur Army gegangen war.
Anschließend hatten sie zwei Jahre lang kein Wort mehr gewechselt.
Nach und nach
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