Sigma Force 02 - Feuermönche
von Feuer, von Pilzen oder Vernachlässigung, sondern auch aufgrund des schieren Umfangs. Erst die Hälfte des Materials war bislang erfasst worden. Und Jahr für Jahr kam von den vatikanischen Botschaften, von den Bischofssitzen und den einzelnen Gemeinden mehr hinzu.
Damit Schritt zu halten war einfach unmöglich.
Die eigentlichen Geheimarchive hatten sich ausgebreitet wie ein bösartiges Geschwür und von den ursprünglichen Räumlichkeiten ausgehend Metastasen in alte Speicher, unterirdische Krypten und leere Turmkammern gebildet. Vigor hatte ein halbes Jahr darauf verwandt, die Akten früherer Vatikanspione zu durchforsten. Seine Vorgänger hatten Regierungspositionen in der ganzen Welt innegehabt, und viele Dokumente waren verschlüsselt und berichteten von politischen Intrigen aus über tausend Jahren.
Vigor wusste, dass der Vatikan nicht nur eine geistige Institution war, sondern auch eine politische. Und Gegner aus beiden Lagern trachteten danach, den Heiligen Stuhl zu schwächen. Sogar heute noch. Priester wie Vigor standen zwischen dem Vatikan und der Welt. Sie waren insgeheim Krieger und hielten die Stellung. Auch wenn Vigor mit manchem, was in der Vergangenheit geschehen war oder gegenwärtig geschah, nicht einverstanden war, blieb sein Glaube davon unberührt … genau wie der Vatikan.
Er war stolz darauf, dem Papsttum zu dienen.
Reiche stiegen auf und gingen unter. Philosophien kamen und gingen. Der Vatikan aber blieb davon unberührt und dauerte fort, massiv und unerschütterlich. Er war Geschichte, Zeit und Glaube, konserviert in Stein.
Hier wurden einige der größten Schätze der Welt in abgeschlossenen Gewölben, Kammern und dunklen Holzschränken verwahrt, die man als armadi bezeichnete. In einer Schublade lag ein Brief, den Maria Stuart am Tag ihrer Enthauptung verfasst hatte; in einer anderen die Liebesbriefe Heinrich VIII. und Anne Boleyns. Es gab Dokumente zur Inquisition, zu den Hexenprozessen, zu den Kreuzzügen und Briefe des Schahs von Persien an eine Ming-Kaiserin.
Was Vigor jedoch suchte, war weniger gut geschützt.
Es erforderte lediglich einen langen Aufstieg.
Es gab noch einen Hinweis, dem er nachgehen wollte, bevor er mit Rachel nach Deutschland flog.
Vigor gelangte zu dem kleinen Aufzug, der zu den oberen Räumen der Archive hochführte, die piani noble genannt wurden, die noblen Etagen. Er hielt Jacob die Tür auf, schloss sie hinter sich und drückte einen Knopf. Mit einem Ruck setzte sich die kleine Kabine in Bewegung.
» Wo geht es jetzt hin? «, fragte Jacob.
» Zum Torre dei Venti. «
» Zum Turm der Winde? Warum das? «
» Dort wird ein altes Dokument verwahrt. Ein Exemplar der Beschreibung der Welt aus dem sechzehnten Jahrhundert. «
» Marco Polos Buch? «
Vigor nickte, während der Aufzug ruckelnd zum Stehen kam. Sie traten auf einen langen Gang hinaus.
Jacob schloss zu ihm auf. » Was haben denn Marco Polos Abenteuer mit den Magi zu tun? «
» In dem Buch schildert er Mythen des alten Persien, in denen vom weiteren Schicksal der Magi die Rede ist. Alles kreist um ein Geschenk, das ihnen das Jesuskind gemacht hat. Um einen Stein von großer Macht. Mit Hilfe dieses Steins fanden die Magi angeblich eine mystische Bruderschaft, die im Besitz geheimen Wissens war. Diesem Mythos würde ich gern nachgehen. «
Der Gang endete am Turm der Winde. Die leeren Räum e d es Turms waren den Geheimarchiven angegliedert worden, Der Raum, zu dem Vigor wollte, befand sich leider ganz oben. Während er lautlos über das Fehlen eines Aufzugs fluchte, trat er in den dunklen Treppenaufgang.
Er verzichtete auf weitere Erklärungen und sparte den Atem für den beschwerlichen Aufstieg. Die Wendeltreppe beschrieb endlose Windungen. Sie stapften schweigend in die Höhe, bis sie schließlich in eines der großartigsten und historisch bedeutsamsten Gemächer des Vatikans gelangten.
Die Salla della Meridiana, das Meridianzimmer.
Jacob verrenkte den Hals, um die Fresken an den kreisförmigen Wänden und der Decke zu betrachten, die Szenen aus der Bibel darstellten und von Cherubinen und Wolken gekrönt waren. Durch ein Loch in der Wand fiel ein Lichtpfeil, der die staubige Luft durchbohrte und auf den mit den Tierkreiszeichen geschmückten Marmorboden traf. In den Boden war eine Linie eingeschnitten, die den Meridian markierte. Dies war das Sonnenobservatorium aus dem sechzehnten Jahrhundert, in dem der gregorianische Kalender berechnet worden war und wo Galilei versucht hatte zu
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