Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
Die mit Fiberglas ummantelten Stahlbetonwände waren texturiert, was der Röhre ein höhlenartiges Aussehen gab.
Painter hatte zuvor den Bauplan studiert. Die Anlage war ganz simpel aufgebaut. Der Tunnel senkte sich einhundertfünfzig Meter ab und endete vor drei großen Samenbunkern, die jeweils mit einer Luftschleuse ausgestattet waren. Ansonsten gab es hier lediglich ein Büro, das von der Tunnelröhre abging.
Das Geräusch von Stimmen drang zu ihnen herauf. In der Ferne schwankten helle Lichter.
Während sie den Tunnel entlangliefen, deutete Senator Gorman auf die Wände und sagte leise: »Ivar war einer der Hauptfinanziers beim Bau des Bunkers. Er glaubte fest daran, dass man die biologische Vielfalt der Erde bewahren müsse, und hielt alle anderen bereits existierenden Samenbanken für völlig unzureichend.«
»Schon kapiert. Der Mann behält gern die Fäden in der Hand.«
»In diesem Fall aber lag er wahrscheinlich richtig. In der ganzen Welt sind über eintausend Samenbanken verstreut, doch die meisten sind in ihrer Existenz bedroht. Die nationale Samenbank des Irak wurde geplündert und zerstört. In Afghanistan war es das Gleiche. Die Taliban sind ins Lager eingebrochen, nicht weil sie Saatgut gebraucht hätten, sondern um die
Plastikbehälter zu entwenden. Viele andere Samenbanken sind ebenso gefährdet. Schlechtes Management, unzureichende Finanzierung, schadhafte Ausrüstung, dies alles stellt eine Bedrohung für die gelagerten Bestände dar. Vor allem aber liegt es am Mangel an Weitblick.«
»Und da ist Karlsen auf der Bildfläche erschienen?«
»Der Bunker ist das Geistesprodukt des Global Crop Diversity Trusts. Als Ivar von dem Projekt erfuhr, bot er seine uneingeschränkte Unterstützung an – sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Durchsetzung des Projekts.« Der Senator massierte sich die Schläfen. »Ich kann immer noch nicht begreifen, dass dieser Mann ein solches Ungeheuer sein soll. Das ergibt keinen Sinn.«
Schweigend gingen sie weiter. Painter war Gormans unterschwellige Skepsis nicht entgangen. Das war durchaus menschlich. Niemand traute seinen besten Freunden das Schlimmste zu, und es war auch nicht einfach, sich seine eigene Leichtgläubigkeit und Blindheit einzugestehen.
Am Ende des Tunnels hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Dort herrschte Partyatmosphäre. An der einen Wand waren Eisskulpturen aufgereiht, die von unten beleuchtet wurden: ein Eisbär, ein Walross, das Modell eines Berges und sogar das Logo von Viatus. Gegenüber war ein kaltes Büfett aufgebaut, außerdem gab es heißen Kaffee.
Gorman nahm im Vorbeigehen ein Champagnerglas vom Tablett einer Hostess. Sie trug Fellstiefel und eine dicke Jacke. Bei dieser Veranstaltung war der Parka ebenso unverzichtbar wie ansonsten der schwarze Schlips. Zwei Dutzend dick vermummte Gäste drängten sich im Tunnel, doch dem vielköpfigen Personal und den Bergen unberührter Speisen nach zu schließen waren weniger Gäste erschienen als erwartet.
Vermutlich hatte der Terroristen zugeschriebene Angriff auf das Grand Hotel zahlreiche eingeladene Personen verschreckt.
Trotzdem war die Party in Anbetracht des Umstands, dass man nur einen Katzensprung vom Nordpol entfernt war, ein durchschlagender Erfolg. Am Mikrofon stand eine wohlbekannte Person und hielt eine Rede. Reynard Boutha, der Kopräsident des Club of Rome, ließ sich ausführlich darüber aus, wie wichtig es sei, die biologische Vielfalt zu bewahren.
»Wir erleben derzeit ein genetisches Tschernobyl. Vor hundert Jahren wurden in den Vereinigten Staaten über siebentausend Apfelsorten angebaut. Heutzutage sind es nurmehr dreihundert. Früher gab es fast siebenhundert Bohnensorten, inzwischen nur noch dreißig. Im Zeitraum von weniger als hundert Jahren sind fünfundsiebzig Prozent der Nutzpflanzenarten verschwunden. Und Tag für Tag wird eine weitere Art ausgelöscht. Wir müssen jetzt handeln, um möglichst viel zu bewahren, bevor es unwiederbringlich verloren ist. Deshalb ist die globale Saatgutbank auch so wichtig. Wir müssen die Finanzierung auch weiterhin sicherstellen und das öffentliche Bewusstsein schärfen …«
Während Boutha fortfuhr, entdeckte Painter Karlsen. Bei ihm standen zwei Frauen. Die eine war gertenschlank, hoch gewachsen und hatte langes blondes Haar. Ihr Gesicht war unter der Parkakapuze kaum zu erkennen. Die andere Frau war älter und flüsterte Karlsen ins Ohr.
»Wer ist das?«, fragte Painter und deutete auf die Frau, die
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