Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
unwohl bei dem Thema; anscheinend hatte er den Tod seines Sohnes noch nicht verarbeitet. Sebastian Gorman war ebenso groß und wettergegerbt wie Ivar, doch sein weißes Haar war akkurat geschnitten, und die Bügelfalten waren messerscharf.
Ivar wunderte sich, den Senator hier anzutreffen, aber vielleicht war dessen Anwesenheit auch gar nicht so erstaunlich. In der Vergangenheit hatte sich der Senator stets durch unerschütterliche Entschlossenheit ausgezeichnet. Er hatte sich maßgeblich für eine Intensivierung der Biokraftstoff-Forschung und dessen Verbreitung in der westlichen Welt eingesetzt. Die Teilnahme am Gipfel war ihm wichtig. Und da er demnächst einen Wahlkampf bestreiten musste, musste er eben später um seinen Sohn trauern.
Gleichwohl hatte Ivar Verständnis für den Schmerz des Mannes. Als er Anfang dreißig war, hatte er Frau und Sohn bei dessen Geburt verloren. Von dieser Tragödie hätte er sich beinahe nicht wieder erholt. Er hatte nicht wieder geheiratet.
»Können wir jetzt anfangen?«, fragte der Senator und wandte sich ab.
»Ja, wir sollten anfangen. Es stehen eine Menge Entscheidungen an.«
»Gut.«
Als der Senator die Anwesenden zu den bereitstehenden Stühlen geleitete, blickte Ivar ihm nach. Er hatte keine Gewissensbisse. Viatus bedeutete Weg des Lebens. Und bisweilen war dieser Weg beschwerlich und erforderte Opfer.
Wie zum Beispiel den Tod Jason Gormans.
Der junge Mann war auf Ivars Befehl hin ermordet worden.
Ein tragischer Verlust, doch Schuldgefühle konnte er sich nicht leisten.
8
11. Oktober, 8:14 Rom, Italien
ES BLIEB IHNEN weniger als eine Minute Zeit. Die unerwarteten Gäste , vor denen der Hotelier sie gewarnt hatte, waren schon unterwegs. Gray wollte ihnen nicht begegnen.
Er geleitete alle über den Flur zur Feuertreppe. Sie lag gleich hinter der nächsten Ecke. Er riss das Fenster auf und machte Rachel Platz.
»Kopf runter«, sagte er. »Man darf uns nicht sehen.«
Rachel kletterte durchs offene Fenster auf die Metallleiter hinaus.
Gray bohrte Kowalski den Zeigefinger in die Brust. »Sie weichen ihr nicht von der Seite.«
»Das brauchen Sie mir nicht zweimal zu sagen«, erwiderte der Hüne und kletterte Rachel hinterher.
Seichan stand zwei Schritte entfernt im Flur, mit gespreizten Beinen und vorgestreckten Armen, in den Händen eine schwarze Sig Sauer. Sie zielte mit der Pistole in den Gang hinein.
»Haben Sie noch eine zweite Waffe?«, fragte Gray.
»Ich gebe Ihnen Deckung. Verschwinden Sie.«
Gedämpfte Stimmen und das Knarren des Holzbodens waren
zu vernehmen. Die beiden Fremden waren im zweiten Stock angelangt und näherten sich Grays Zimmer. Die verwinkelte Anlage des Hotels hatte ihnen vermutlich das Leben gerettet und ihnen einen ausreichend großen Vorsprung verschafft.
Das war es aber auch schon.
Gray trat wieder ans Fenster und kletterte geduckt hindurch. Seichan folgte ihm. Ohne sich umzudrehen, kletterte sie rückwärts durch die Fensteröffnung. Dabei ließ sie den Flur keinen Moment aus den Augen.
Rachel und Kowalski waren bereits auf dem Weg nach unten. Sie befanden sich ein Stockwerk tiefer – als sie plötzlich unter Feuer genommen wurden. Gray hörte die Schüsse nicht, doch er vernahm das Sirren der Querschläger und sah die kleinen Staubwolken, die von den getroffenen Backsteinen aufstiegen.
Kowalski zog Rachel fluchend hinter seinen Rücken und kletterte eilig wieder nach oben.
Gray hatte den Schützen, der sich hinter einem Müllcontainer versteckt hatte, bereits ausgemacht. Die Angreifer hatten rechtzeitig daran gedacht, ihnen den Fluchtweg zu versperren. Seichan erwiderte das Feuer. Der Schütze duckte sich rechtzeitig, doch ihre Pistole hatte keinen Schalldämpfer. Die Schüsse dröhnten Gray in den Ohren; auch die Angreifer auf dem Gang mussten sie gehört haben.
»Rauf aufs Dach!«, ordnete er an.
Der Schütze am Boden feuerte zweimal aufs Geratewohl, doch Seichan sorgte dafür, dass er in Deckung bleiben musste, und der Metallkäfig der Feuertreppe bot ihnen zusätzlich Schutz. Zum Glück war es nicht weit bis zum Dach. Das Hotel hatte nur fünf Etagen.
Oben angelangt, geleitete Gray die anderen von der Dachkante weg. Auf dem mit Taubenkot bedeckten Dach befand
sich ein Gewirr von Lüftungsrohren und graffitibeschmierten Heiz- und Kühlanlagen. Sie mussten einen anderen Weg nach unten finden. In diesem Moment landete jemand mit lautem Stiefelgepolter auf dem Geländer der Feuertreppe. Die beiden Männer aus dem Flur
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