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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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und Kisten zu packen, widmete sich Quintus vor allem der Vorbereitung auf seine Aufgabe. Er las die Berichte der Legaten von den fünf Legionen der Rheinarmee und die der leitenden Beamten der im Aufbau befindlichen Provinzverwaltung. Die geografische Literatur verschlang er förmlich, ansonsten verschaffte er sich Informationen aus erster Hand, indem er fast täglich Männer, die in irgendeiner Weise mit Germanien in Berührung gekommen waren, in sein Haus einlud und befragte. Durch die breit gefächerte Auswahl dieser Zeugen versuchte er sich ein Bild aus allen nur denkbaren Blickwinkeln zu machen: Ein wegen einer Verletzung heimgekehrter Centurio der XIX. Legion war unter seinen Gästen, dann ein Veteran aus den Tagen von Agrippa, der die ersten Rheinübergänge und Strafexpeditionen mitgemacht hatte, als von einer Provinz Germanien noch gar keine Rede gewesen war. Ein Händler, der mehrere Jahre im Land der Bruktererund Marser Glaswaren und Keramik verkauft hatte, ein Landvermesser, der groß angelegte Waldrodungen zwischen Lupia und Amisia beaufsichtigt hatte, und schließlich sogar ein junger Cherusker, kaum älter als Caius, aus einer der führenden Familien des Stammes, der von seinem Vater vor einigen Jahren nach den letzten Aufständen als Geisel nach Rom geschickt worden war – sie alle löcherte Quintus beim Essen stundenlang, während ein stummer Schreiber emsig Fragen und Antworten in kleine Wachstafeln ritzte. Cornelia langweilte sich bei diesen Gesprächen maßlos und verließ das Triclinium meistens sofort nach dem Essen mit mehr oder weniger entnervtem Gesicht. Caius dagegen lauschte den Berichten umso gespannter und warf dann und wann selbst eine Frage ein. Vor allem der junge Cherusker Chariomer faszinierte ihn, wenngleich er bei den Gesprächen immer versuchte eine gewisse überlegene Distanz zu wahren. Chariomer schien aus einer merkwürdigen Zwischenwelt zu stammen. Seinem Äußeren nach entsprach er mit Haut und Haar dem Bild des germanischen Kriegers aus den wenigen Berichten der griechischen und römischen Schriftsteller, die sein Land mit eigenen Augen gesehen und darüber berichtet hatten. Er war hellblond, groß gewachsen und erstaunlich breitschultrig für sein Alter. Sein Gesicht mit den grünen Augen und sein lebhaftes Mienenspiel passten dagegen nicht in das landläufige Bild des tumben Barbaren. Gekleidet war er nach römischer Sitte und auch sein Auftreten verriet keine Unsicherheit in dieser ihm eigentlich fremdenUmgebung. Er lebte im Haushalt einer Familie aus dem Ritterstand und hatte dort die Sprache der Römer bis zur Perfektion gelernt.
    Caius ertappte sich während der Befragung mehrmals dabei, wie er nach Verlegenheiten suchte, die seine Überheblichkeit diesem jungen Barbaren gegenüber gerechtfertigt hätten, doch Chariomer bot keine Angriffsfläche. Seine Antworten auf die Fragen des Vaters kamen schnell, geschliffen und präzise, während er auf seiner Kline lag und mit sichtlichem Genuss die angebotenen Austern schlürfte. Angesichts seiner Selbstsicherheit spürte Caius ein wachsendes Unbehagen. Sein Vater indessen fragte unbeirrt weiter, zuvorkommend und unvoreingenommen, und selbst als das Gespräch immer engere Kreise um die heikle Frage der Zuverlässigkeit von Chariomers Stammesgenossen gegenüber den römischen Bündnispartnern zog, wurde sein Ton niemals belehrend. In aller Sachlichkeit erinnerte Quintus den Cherusker an die Vertragsbrüche der Vergangenheit und daran, dass auch Chariomers Vater sich noch vor wenigen Jahren bei einem Aufstand des cheruskischen Adels gegen die Römer gestellt hatte. Ob die langsam fortschreitende Anpassung an die römische Lebensweise, für die er, Chariomer, ja das beste Beispiel sei, die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Aufstände verringere oder eher das Gegenteil bewirke, wollte er wissen.
    Bei dieser Frage überlegte der Cherusker eine Weile. »Senator«, sagte er schließlich respektvoll und dennoch in einem selbstbewussten Ton, den Caius seinem Vatergegenüber fast schon als anmaßend empfand. »Bei uns Cheruskern und auch bei den benachbarten Stämmen sind die maßgeblichen Kreise in der Mehrheit bereit sich an die römische Lebensweise heranführen zu lassen.« Er machte eine Pause und überlegte.
    Â»Aber?«, hakte Quintus nach.
    Â»Aber die Minderheit, die sich unter keinen

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