Signum - Die verratenen Adler
und die ersten Strahlen tastend über die ruhig vor sich hin gluckernde Haut des Flusses streiften, fühlte er sich stark genug, jeder Gefahr zu begegnen, die sich ihnen entgegenstellen würde.
Es wurde noch einmal ein anstrengender Reisetag, aber die beiden Freunde hatten sich schnell wieder an das Geschaukel des Wagens gewöhnt. Durch das Fenster sahen sie die endlos lange und endlos langsame Reihe der Transportkähne, die von knietief im Wasser watenden Soldaten geschleppt wurden. An einigen Stellen staute sich alles, weil Menschen und Lasten von den groÃen auf kleinere Kähne umgeladen wurden. Noch vor dem Mittag hatten sie die Spitze der Kolonne überholt, und wie Silanus vorausgesagt hatte, standen sie am späten Abend vor dem Tor des Legionslagers Castra Lupiana. Nachdem sie sich ausgewiesen hatten, lieÃen die Wachen sie ein und führten sie zu Servius Tullius Onager, der im Stabsgebäude mit zerzausten Haaren und in Gesellschaft von ein paar Offizieren der unteren Ränge bei einem Gelage saÃ, offensichtlich schon stark angetrunken war und sich für ihr Vorhaben nicht weiter zu interessieren schien. Er rief einen Soldaten zu sich und gab ihm den Auftrag, den hohen Herren, wie er mit einem Anflug von Spottbemerkte, eine angemessene Unterkunft zuzuweisen. Im Schein von Fackeln wurden die beiden in ein nicht besonders sauberes Gebäude geleitet. Sklaven bereiteten in aller Eile ein Nachtlager und entfernten sich dann. Und wieder sanken Caius und Lucius ohne viele Worte in die Betten.
Am nächsten Morgen wachte Caius von selbst auf. Die Sonne schien schon hell durch die Ritzen der Fensterläden. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, fühlte sich jedoch zum ersten Mal seit Tagen wieder richtig ausgeschlafen. Er wusch sich im Halbdunkel, zog sich an und lieà Lucius schlafen. Als er durch die Tür nach drauÃen schlüpfte, fiel ein Lichtstrahl auf das Bett seines Freundes, der sich grunzend auf die andere Seite wälzte.
Caius trat auf die LagerstraÃe, auf der einige Handwerker, aber kaum Soldaten unterwegs waren. Das Lager hatte trotz seiner beachtlichen GröÃe nur eine kleine Garnison, noch nicht einmal die Wachtürme an der Palisade waren besetzt. Ohne recht zu wissen, wohin er eigentlich wollte, ging Caius zum Tor. Die beiden Wachen grüÃten gelangweilt, als er an ihnen vorbeistapfte. Nach ein paar Schritten hatte er die Toranlage hinter sich gelassen und stand auf einer Wiese, die rechts von ihm sanft zum etwa tausend Schritte entfernten Fluss hin abfiel. Die Lupia machte an dieser Stelle einen scharfen Knick, und kurz davor befand sich ein Kastell, das ein paar Bootshäuser und einen Anleger schützte. Zwischen dem Lagertor und diesem Kastell herrschte allerhand Betrieb. Dutzende von Frauen und Männern in germanischer Tracht hatten einenkleinen Markt aufgebaut, auf dem vor allem Lebensmittel, aber auch Töpferwaren und Werkzeuge angeboten wurden. Einige waren damit beschäftigt, einfache Stände aufzurichten, andere verkauften die Waren direkt vom Wagen.
Plötzlich wurde Caiusâ Aufmerksamkeit von einem Mädchen gefangen genommen. Sie war vielleicht so alt wie er und stand allein neben einem Wagen voller Gemüse. Das hellblonde glänzende Haar fiel ihr in zwei Zöpfen von hinten nach vorn über die Schultern. Sie war zierlich und leicht gebräunt. Ihr Gesicht war schmal und sehr fein geschnitten, und zwei groÃe blaue Augen schauten etwas argwöhnisch umher, als müsste sie sich in einer feindseligen Umgebung behaupten. Sie erinnerte Caius an die jungen germanischen Frauen, die ab und zu auf römischen Sklavenmärkten angeboten wurden und zu schwindelerregenden Preisen in den Besitz von lüsternen, alten Gutsbesitzern übergingen, bei denen ihnen ein tristes Schicksal voller würdeloser und unappetitlicher Nachstellungen bevorstand. Bei näherer Betrachtung bemerkte er aber ihre stolze Haltung, die sie wie eine adlige Römerin aussehen lieÃ. Im Ãbrigen war sie in jeder Hinsicht eine Schönheit. Caius dachte an Lucius und musste grinsen. Wenn hier die Bauernmädchen alle so aussehen, dachte er, dann werde ich Lucius in Ketten legen müssen, wenn ich ihn jemals nach Rom zurückbringen will. In diesem Moment traf ihn ihr Blick.
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Fastrada stand vor dem Karren, auf dem sich Säcke und Körbe mit Erbsen, Bohnen, Emmer, Hirse und früh geernteten Ãpfeln stapelten, und
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